Es existiert also doch noch, das warmherzige Amerika, von dem wir in der Alten Welt immer träumen: Bodenständig, aber nicht engstirnig, durchaus patriotisch, aber nicht nationalistisch und schon gar nicht fremdenfeindlich. Nach Gauting kam dieses freundlich-gemütliche Stück Amerika ausgerechnet in Gestalt zweier Texaner mit Cowboyhüten – Richard J. Dobson und W.C. Jameson gastierten auf ihrer Europa-Tour im bosco und hatten Songs aus mindestens einem langen Musiker-Leben im Gepäck. Nun ist der in Tyler/Texas geborene Dobson mittlerweile in der Schweiz zu Hause, während sein kongenialer Bühnenpartner Jameson beileibe nicht nur als Singer-Songwriter unterwegs ist, sondern Bücher über die Mythen des Western und ein Musical über Jesse James schrieb, als professioneller Schatzsucher sogar zur TV-Berühmtheit wurde und zwischenzeitlich mal eine Ranch hatte. Die beiden älteren Herren haben also einiges zu erzählen mit ihren 75 Lenzen, und zu ihren Gitarren und Bluesharps geht das am besten mit Songs.
Richard bringt dabei eine etwas höhere Stimmlage mit als William Carl, der Johnny Cash zu seinen erklärten Vorbildern zählt und ihm vokal auch ziemlich nahe kommt. Wenn Dobson dann mitunter ein wenig Dylan-like klingt (ohne zu nuscheln wie der frischgebackene Literaturnobelpreisträger), brummelt Jameson dazu so etwas wie die Zweitstimme; und wenn „W.C.“ vom gefährlichen Leben eines Mannes zwischen zwei Frauen und zwei Städten (Dallas und New Orleans) sowie den 500 Meilen dazwischen singt, beschränkt sich Richard gleich aufs Gitarrezupfen - am Bass übrigens eine Dame namens „Susannah“, die laut Dobson gelegentlich als „alte Freundin“ aushilft. Die beiden Männer haben zusammen und einzeln schon etliche Scheiben aufgenommen in den zurückliegenden Jahrzehnten, Dobson sogar noch während des Vinyl-Zeitalters. Jameson, der professionelle Schatzsucher und zeitweilige Vorsitzende der „Western Writers“-Vereinigung, müsste seine Geschichten eigentlich gar nicht singend vortragen, denn schon sein Äußeres sieht nach „Geschichte“ aus: Da ist die Rede von Rodeo, von der erwähnten Ranch, die er seiner Ex-Frau überlassen hat, von der ewigen Männer-Sehnsucht, „on the road“ zu sein. Ähnlich ist es bei Dobson, dem Wahl-Schweizer, der etwa 1972 sein musikalisches Schlüssel-Erlebnis in Nashville,Tennessee, hatte (wo sonst?) und Willie Nelson verehrt. Was ihn nicht hinderte, eigene Songs zu schreiben, die von Auftragskillern ebenso erzählen können wie von „Plenty (of) Good People“, von einfachen Leuten, die schwer in Ordnung sind, auch wenn sie nicht in die Kirche gehen. In einem seiner selbstverfassten Lieder über Toleranz kommt sogar das Wort „Koran“ vor!
So zuckelt man mit Dobson & Jameson im ersten Teil des Abends eher „countrymäßig“ durchs weite Land, streift Arkansas, Louisiana, New Mexico, Colorado, Tennessee, quert sogar musikalisch den großen Mississippi; im zweiten Teil überschreiten die beiden Hobos dann die zulässigen „55 Miles per hour“ ein wenig, besuchen die „Border Town“ ihrer Erinnerung, schicken zu Weihnachten nur ein bekritzeltes Flanell-Hemd nach Hause. Und schon fangen sie auch im bosco rhythmisch zu klatschen an, zwei Frauen schwingen das Tanzbein, ein Hauch von Saloon im bosco. Von wegen "Don´t mess with Texas": Es hat etwas regelrecht Ofenwarmes an sich, wie diese Männer mit dem schlohweißen Haar und aller Trucker-Gelassenheit der Welt ihr Konzert abspulen: „I´m waitin´ for my horse to win...“ singen sie. Immer vorwärts, immer auf der Suche nach dem Glück des Unterwegsseins, aber niemals zu eilig. Sie scheinen ja zu wissen, dass es sich nicht einholen lässt. Es ist nämlich irgendwie mit ihnen. Thomas Lochte