Man sollte die sedierende Wirkung adventlicher Musik keinesfalls unterschätzen: Vor allem im Landkreis Starnberg wird bis heute ganz gerne derart gebrauchtümelt, als gäbe es weder Klimawandel und Schneemangel noch den Zuzugsdruck preusselnder SUV-Lenker aus dem Frankfurter Bankenviertel – die Sehnsucht nach „weißen Weihnachten“ ist jedenfalls ungebrochen, und das rund ums Jahr eher vernachlässigte Ideal der Nächstenliebe wird allseits wacker beschworen. Plötzlich tragen wieder alle Lederhose und Tracht, während das Laptop als Geschenk unter der heftig nadelnden Nordmann-Tanne liegt. So mancher fühlt sich ja von der erdrückenden Weihnachtsstimmung regelrecht zur Anarchie herausgefordert....
Wer derlei angestrengte Sittsamkeit auch im Bosco befürchtet hatte, der wurde bei der „bayerischen Weihnacht“ mit Sabine Sauer und dem Trio Gruberich aufs angenehmste überrascht – die bekannte „BR“-Moderatorin trug zur Lesung zwar ein blaues Dirndl und das Trio „drohte“ tatsächlich mit Harfe, Hackbrett und Violoncello, doch Textauswahl und Musik waren dann von erfrischender Frechheit. Los ging´s mit der Geschichte vom pensionierten Postsekretär Hifinger, der zum Christfest mit vielen Geschenken bedacht wird und beim Abfassen seiner Dankesbriefe ordentlich durcheinander kommt: Da will er jemandem, der ihm eine elektrische Heizdecke geschenkt hat, schreiben, er habe die wärmende Gabe „gleich mit ins Bett genommmen“ - dumm nur, dass der Brief aus Versehen denjenigen erreicht, der dem Hifinger eine „Venus von Milo“-Büste kredenzt hatte. Die Geschenk-Radierung „Heilige Affen“ hat der Dankesbriefschreiber dann auch noch verwechselt, und zwar mit den Selfies der Verwandtschaft.
Sabine Sauer hatte zu Beginn des Abends eine lockere Text-Mischung aus „heiter“ und „besinnlich“ angekündigt, und im Wechsel mit dem „Trio Gruberich“ wurde dieses Versprechen auch eingelöst. Maria Friedrich (Violoncello), Sabine Gruber-Eberlein (Harfe) und vor allem Thomas Gruber an Hackbrett und Steirischer Ziach sorgten dafür, dass man die musikalischen Zwischenspiele eben als etwas Eigenständiges und höchst Lebendiges wahrnahm und nicht als bloßes Beiwerk, wie es in solchen Fällen öfters passiert. Thomas Gruber bei der Handhabung seiner Instrumente zuzuschauen ist nämlich ein Ereignis für sich – er tanzt regelrecht mit den Schlegeln seines Hackbretts, und mit der „Steirischen“ wirkt er wie ein Kobold, der den Liedern immer wieder neue, neckische Wendungen zu geben vermag. Harfe und Cello betten diesen munteren Fex nicht nur ein, sie stehen im Dialog mit seinen verträumten Ausflügen, folgen ihm bis in die zartesten Wendungen. Adventliche Musik, diese Erfahrung durfte man am Bosco-Abend mit dem „Trio Gruberich“ machen, muss nicht unbedingt in verordneter Besinnlichkeit ersaufen.
Dann wurde wieder gelesen: Die Geschichte von der Gans, die Weihnachten übersteht, wenn auch nicht ungerupft, ist ein Klassiker und balanciert genau auf der Grenzlinie zwischen Humor, Spannung und Humanismus, die sich viele zum „Fest der Liebe“ wünschen. Sabine Sauer erzählt zwischendurch, sie sei auf der Suche nach weihnachtsbezogenem Material sogar in China fündig geworden, und präsentiert dann einen schönen Text, der die Einsamkeit in der Fremde zum Thema hat: „Vom Schenken einer Glücksstunde“ öffnete den Blick auf das Immaterielle und erinnerte die Zuhörer daran, worauf es eigentlich ankommen sollte. Natürlich gab es auch wieder leicht verklärende Reminiszenzen an Kindheitstage mit weihnachtlichem Krippenspiel und an christliche Choräle, doch rechtzeitig wurde auch ein Joachim Ringelnatz zitiert: Liebeläutend zieht die Kerzenhelle / mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit / und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle / schöne Blumen der Vergangenheit.“
Danach kam die wirklich anarchische Anekdote vom kleinen Tim, der auf seine Weise die Herbergssuche von Josef und Maria im weihnachtlichen Krippenspiel aufmischt und die Rolle des hartherzigen Wirts auf seine Weise neu interpretiert – Sabine Sauer hatte damit genauso eine gute Wahl getroffen wie mit der Zugabe, bei der einer Familie das so schön arrangierte Weihnachten buchstäblich um die Ohren flog – Vater hatte Omas alten Christbaumständer mit dem Drehmechanismus irgendwie zu stark getunt . . .