„Halloooo!“, schallt es über die Bühne. „Ist jemand zuhause?“ Das könnte der Auftakt zu samstagnachmittäglichem Kasperletheater sein, aber es ist niemand Geringeres als Mariane Bargiel (geschiedene Wieck, geborene Tromlitz), die sich hier Zutritt in ein Wohnzimmer verschafft. Oma Mariane, die Mutter von Clara und Schwiegermutter von Robert Schumann, zum Leben erweckt durch die Schauspielerin und Musikerin Salome Kammer in bodenlangem Kleid und grauer Perücke. Sie führt temperamentvoll durchs Programm „Ein Besuch im Hause Schumann“, bei dem die Schumann’schen Stücke aus dem „Album für die Jugend“ den musikalischen Rahmen bilden.
Keine Minute dauert es, bis das Publikum zum Singen animiert wird – es soll nicht das letzte Mal an diesem Nachmittag sein. Doch musikalischer Hauptakteur bleibt das gute Dutzend „Kindersinfoniker“, das sich in historisch anmutenden Kostümen auf der Bosco-Bühne versammelt hat. Der Komponist Johannes X. Schachtner hat eine Reihe der Stücke aus Schumanns Opus 68 intelligent für Streichorchester bearbeitet und in einen dramaturgischen Zusammenhang gebracht. Zu der von den jungen Musizierenden so sicher wie wild gestrichenen Musik des „Wilden Reiters“ galoppieren nun ein paar Schumann-Kinder ins Zimmer zu Oma Mariane.
Nicht lange muss man warten, bis diese sich den nächsten Streich ausdenkt: Für den „Bärentanz“ lädt sie Kinder aus dem Publikum auf die Bühne. Das ist keine schwierige Übung. Das Publikum ist zahlreich und unterschreitet (bei allem Respekt) doch deutlich den üblichen Altersschnitt, was man bei einer Blindprobe kaum gemerkt hätte – so konzentriert folgen die Kinder dem Bühnengeschehen. Etwa, wenn die Kindersinfoniker, nun unterstützt durchs Klavier, eine zart schwebende Bearbeitung der G-Dur-Studie aus dem „Album“ darbieten, eine rührende Mini-Prozession für einen davongeflogenen Kanarienvogel zu „Erster Verlust“ aufführen oder Oma Mariane die Geschichte der Scheherazade als spannendes Schattenspiel zeigt.
Und schließlich kommt ja noch Schumann selbst auf die Bühne, verkörpert durch Johannes X. Schachtner, der ebenfalls humorvoll und engagiert einen Blick ins Wohnzimmer der Familie Schumann freigibt. Dabei flicht er immer wieder handfeste Informationen in die Geschichte ein, etwa zu den Freundschaften mit Felix Mendelssohn Bartholdy oder Johannes Brahms, der selbst noch auftreten wird. Einer der Höhepunkte ist dabei Salome Kammers Performance einiger der „Musikalischen Haus- und Lebensregeln“, für die Schachtner selbst eine musikalische Form gefunden hat: aphoristisch knapp, witzig und originell.
Das Konzert ist ein Projekt des Vereins „Kindersinfoniker“, den die Geigerin Julia Fischer gegründet hat. Sie selbst wirkte an den legendären Kinderkonzerten Heinrich Klugs mit, die dieser seit 1977 veranstaltet hat. Es ist so inspiriert wie damals, ständig aktuell und vor allem beeindruckend souverän musiziert und gibt auch in dieser Besetzung Kindern einen Einblick in die Welt der Musik, liebevoll und einfühlsam, ohne künstlich zu vereinfachen. Beim Hinausgehen fragt eine Mutter ihre etwa siebenjährige Tochter: „Wie fandest du’s?“ – „Gut!“ Dem möchte man sich vollinhaltlich anschließen.