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Veranstaltungsinfo

Do, 06.02.2020
20.00 Uhr
Kabarett

22,00 / 10,00

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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Sarah Hakenberg: Dann kam lange nichts

Intelligente Bosheiten, fröhlicher Charme und unwiderstehliche Dreistigkeit - alles wie immer! Nur ein bisschen ostwestfälischer.
Berlin oder München? Kopenhagen, Wien oder doch eher Heidelberg? Während andere noch darüber nachdenken, welche die schönste und lebenswerteste Stadt auf unserem Planeten ist, bricht eine kleine, gewitzte und wagemutige Liedermacherin auf ins Abenteuer und zieht nach über zwanzig Jahren in diversen Großstädten einfach mal nach Ostwestfalen.

Noch nie gehört? Ostwestfalen kennt niemand, außer den Ostwestfalen selbst. Wenn man versehentlich durch diese Region hindurch fährt, merkt man das immer daran, dass das Netz plötzlich wegbricht. Und dass es anfängt zu regnen. Es gibt keine Szenekneipen, keine spektakuläre Natur, keine Kita-Plätze - einfach nichts. Außer Kartoffelfesten und Reha-Kliniken, was die Sache nicht unbedingt besser macht. In jedem Fall ist es ein idealer Ort, um neue Hakenberg-Hits zu schreiben: Über die Unsinnigkeit von Kreuzfahrten, über wahnsinnig gewordene Mütter und über Nazis, die als Umzugshelfer abgeworben werden.

Intelligente Bosheiten, fröhlicher Charme und unwiderstehliche Dreistigkeit - alles wie immer! Nur ein bisschen ostwestfälischer.

Bereits während ihres Studiums der Theaterwissenschaft begann Sarah Hakenberg eigene Geschichten zu schreiben und an Poetry Slams teilzunehmen. Schon bald war sie damit so erfolgreich, dass sie in diversen Fernsehshows zu sehen war und von den Zuschauern des WDR Poetry Slams 2008 prompt zur Siegerin gekürt wurde! Ihr erstes Soloprogramm „Knut, Heinz, Schorsch und die anderen“ leitete die Reihe schwer erfolgreicher Bühnenshows ein, mit denen sie in den nächsten Jahren auf Tour ging. Freuen Sie sich auf einen Abend mit staubtrockenem Humor, vielen versteckten Pointen und einer großen Portion weiblichem Charme.

Nach(t)kritik
Kabarett mit Küchen, Klemmen und Kirchen
Nach(t)kritik von Tanja Weber
Sarah Hakenberg hat ein kleines Problem. Sie ist zu nett. Von Anfang an geht man mit dieser sympathischen Frau auf der Bühne mit, nicht zuletzt deshalb, weil man von ihr nichts befürchten muss, zum Glück nicht einmal den erhobenen Kabarett-Zeigefinger.
Aber der Reihe nach.
Gleich zu Beginn setzt Sarah Hakenberg das Thema, kurz und knackig mit Klavierakkord: wie überlebt man die Provinz oder warum es sich in Ostwestfalen trotz Küchen, Klemmen und Kirchen so gut leben lässt. Sie erzählt den Abend über Unterhaltsames, Privates, zitiert Statistiken über die Besiedelung, Lebensqualität und Sterblichkeit des Landstriches, in den sie vor fünf Jahren von München aus gezogen ist. In eine Gegend, in der es viel regnet und außenherum nichts ist. In der die Kindergärten „Mariae Heimsuchung“ heißen und nicht so niedliche Namen wie in „Grashüpfer“ tragen wie in Berlin. Sarah Hakenberg plaudert, jeder Satz ein Lacher, eine kleine Pointe. Schließt man die Augen, könnte man sich gut vorstellen, dass man mit dieser lebhaften, klugen und warmherzigen Frau am Rand eines Sandkastens sitzt, einen Kaffeebecher in der Hand und einfach einen witzigen Vormittag hat. Sie ist die nette Mutter von nebenan, ungekünstelt und nahbar.
Wenn sie diese Qualitäten ausspielt, um aus dem Nukleus des Alltagslebens heraus Sozial- und Gesellschaftskritik zu üben, dann ist sie großartig und das sind die Momente, die man sich von einem gelungenen Kabarettabend wünscht: dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Gleich zu Beginn des Programms zitiert Hakenberg aus der „Deutschland-Studie“ des ZDF und konfrontiert uns Würmtaler mit den nicht immer schmeichelhaften Zahlen. So steht der Landkreis Starnberg zwar im deutschlandweiten Ranking in Bezug auf verfügbares Einkommen auf Platz eins – bei der Pflegesituation allerdings auf den allerhintersten Plätzen. Auch um Kultur- und Ehrenamt, Wohnkosten und Kinderbetreuung steht es bei uns nicht allzu gut – da überholt uns streckenweise sogar Hakenbergs Kreis Höxter, wie die Kabarettistin fröhlich feixend feststellt.
In diesen Passagen in ihrem Programm zeigt sich, was Sarah Hakenbergs Themen sind, wo ihr Alleinstellungsmerkmal in der männlich dominierten Kabarettszene ist und was sie wirklich, wirklich sehr gut kann. Ob es um die Wiedereingliederung von Frauen ins Berufsleben, den Betreuungsschlüssel in Kindergärten oder Integration von Flüchtlingen geht – da bleibt uns das Lachen im Hals stecken, da sitzt jeder Hieb.
Ganz groß ist auch die kleine Nummer mit dem Kinderbuch „Wo wohnst du, kleines Küken?“. Allein in der Art wie Sarah Hakenberg daraus vorliest, offenbart sich die Ausgrenzung von Vaterfiguren im Leben der diversen Tierkinder als Gendermonstrosität, die ihres Gleichen sucht. Im Kleinen findet sie das Große, in der Alltäglichkeit den Wahnsinn.
Nach der Pause zieht sie – immer wechselnd zwischen Songs, die sie am Flügel begleitet und freien Textpassagen mit oder ohne Ukulele – das Tempo noch einmal an und man stellt fest: das tut ihr gut! Ob Cum-ex-Skandal, Rechtsextremismus oder „Wir gehen da jetzt rein“-Kolonisation, die nette Frau von nebenan platziert Nadelstich um Nadelstich.
Immer schade, wenn sie z.B.  mit ihrer Erzählung über die Kreuzfahrt-Erfahrung auf der AIDA ihre politische Linie verlässt; Gags über Männer, die sich am Gratis-Büfett die „Achtunddreißigste Schwangerschaftswoche“-Bäuche vollstopfen, sind eigentlich nicht ihre Klasse.
Statt sich über andere lustig zu machen, applaudiert man doch lieber der kumpelhaften Mutter, die einen nach dem unterhaltsamen Vormittag am Sandkasten nachdenklich zurücklässt, weil sie einem - unmerklich - den Spiegel vorgehalten hat.
In Gauting hat die Kabarettistin eine stabile Fanbase, die von erstem Wort an auf ihrer Seite ist. Und das zu Recht, denn eigentlich kann Sarah Hakenberg nichts falsch machen – dafür ist sie einfach zu nett.
Galerie
Bilder der Veranstaltung
Do, 06.02.2020 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.