Veranstaltungsinfo
Sarah Hakenberg: Struwwelpeter reloaded
„Willkommen in der Champions League!“ lobpreiste die Süddeutsche Zeitung Sarah Hakenberg zu ihrem dritten Soloprogramm „Struwwelpeter reloaded“, in dem die Kabarettistin und Liedermacherin die allseits bekannten Geschichten vom Struwwelpeter in die heutige Zeit versetzt. Statt des Zappelphilipps erklingt die Hymne von der Ritalin-Aline, Hans-guck-in-die-Luft verwandelt sich in Mandy-guck-aufs-Handy, ein scheinbar fröhliches Kinderfest der NPD löst die Geschichte vom schwarzen Buben ab, und der Suppenkasper erscheint als draller Kalle, der auf dem Spielplatz versehentlich in der Röhrenrutsche steckenbleibt. Stets treuherzig lächelnd sitzt Sarah Hakenberg am Klavier und haut ihrem Publikum kleine gemeine Gassenhauer um die Ohren, die vor messerscharfem und diabolischem Witz nur zu sprühen. Bitterböse Ironie, garantiert pädogogisch wertfrei und urkomisch – Hakenberg von ihrer schwärzesten Seite.
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin, 04.10.2013 Aus dem Poesiealbum für böse Kinder Am schlimmsten war die Geschichte vom armen Paulinchen, das allein zu Haus war und dann lag da diese Packung Streichhölzer, und wie ging´s aus? „Verbrannt ist alles ganz und gar, das arme Kind mit Haut und Haar; ein Häuflein Asche bleibt allein, und beide Schuh`, so hübsch und fein.“ Und seltsamerweise auch die beiden Katzen. Die überleben die Feuersbrunst. Schon deshalb sprach mir Sarah Hakenberg aus dem Herzen, als sie in ihrem Programm „Struwwelpeter reloaded“ ihre Version der Geschichte vom „Wilden Jäger“ vorstellt: „Hündchen lynchen in München“. Die überleben sonst alles, die Viecher, ob Hündchen, Tauben, Hamster oder auch Katzen wie Minz und Maunz.
Um aber doch eines klarzustellen: ich habe nichts gegen Katzen (habe ja selber eine), ebenso wenig, wie Sarah Hakenberg etwas gegen Kinder haben dürfte. Stattdessen entlarvt ihr bitterböses neues Programm, das sie in Gauting vorstellte, jene Kinderhasser, die sich auf ihre Vorstellung vom Aufwachsen in bester Struwwelpetermanier einen Reim machen, bei dem sich „Christkind“ zu „artig sind“ fügt oder eben das Schicksal der drogenabhängigen Aline zum Wundermittel Ritalin. Bestandaufnahmen von Kinderrealitäten sind beide, der gute alte „Struwwelpeter“ aus dem Horrorkabinett des 19. Jahrhunderts und die „Reloaded“-Fassung der Musikkabarettistin.
Das Programm begann mit einem – leicht akademisch angehauchten – Überblick der verschiedenen existierenden Fassungen des „Struwwelpeter“, angefangen bei der „Struwwelliese“ über den „Anti-Struwwelpeter“ bis hin zum „Schwuchtelpeter“, alles mit Beispielen in Buch- und Zitatform belegt und kommentiert. Das war zwar sehr interessant, hätte aber leicht in eine ganz andere Richtung führen können. Glücklicherweise schlug die bestinformierte Kabarettistin schon bald einen ersten Haken und entführte mit süßestem Lächeln auf den grausamsten Schauplatz real existierenden Darwinismus, wo, wer nicht in Form ist, einfach mal in der Röhre stecken bleibt: auf den Spielplatz. Hier erwischt es den modernen Suppenkasper, den drallen Kalle, beim Rutschen. Es folgt die medizinisch zurechttherapierte weibliche Variante des Zappelphilipps, die Ritalin-Aline, auf die Sarah Hakenberg eine Hymne zu singen weiß: „Ein Hoch auf legale Drogen“ wie eben Ritalin und Co., später geht es um den zeitgemäßen Daumenlutscher, die Handy-Mandy, der kurzerhand beim SMSen von einem ebenfalls smartphoneabgelenkten Autofahrer der Arm abgefahren wird.
Sarah Hakenbergs Programm trägt eine ganz eigene Handschrift. Die Musik spielt eine große Rolle, die am Klavier präsentierten Spottverse und bösen Lieder bilden das Herz des Abends. Ein Stück wird auf der Gitarre begleitet: die Geschichte vom „Fliegenden Robert“ in einer tiefsinnigen, unter der Wollmütze cool eingefrorenen Singer-Songwriter-Fassung. Mindestens ebenso wichtig sind die schwarzhumorigen Texte, die das scheinbar Süßliche des Originals ad absurdum führen. Und ja: Frau Hakenberg hat sie alle selbst geschrieben, obwohl sie eine Frau ist. Wie lautet doch ihr Rat an die bösen, immer ärgernden Buben: „Euer Leben hängt am Fädchen ärgert ihr zu arg die Mädchen, scheinen sie auch brav und schlicht, so unterschätzt sie lieber nicht.“
Musikkabarett, ja; aber auch Poetry, ganz viel Poetisches, mit Sinn für Rhythmus und gesprochene, gesungene Sprache. Und eine dicke Schicht Schwarz über dem grell vorgeführten Zuckerguss. „Makaberett“, habe mal jemand ihre Version des Kabarett genannt, erzählt Sarah Hakenberg. Das könnte ein Name sein.
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin, 04.10.2013 Aus dem Poesiealbum für böse Kinder Am schlimmsten war die Geschichte vom armen Paulinchen, das allein zu Haus war und dann lag da diese Packung Streichhölzer, und wie ging´s aus? „Verbrannt ist alles ganz und gar, das arme Kind mit Haut und Haar; ein Häuflein Asche bleibt allein, und beide Schuh`, so hübsch und fein.“ Und seltsamerweise auch die beiden Katzen. Die überleben die Feuersbrunst. Schon deshalb sprach mir Sarah Hakenberg aus dem Herzen, als sie in ihrem Programm „Struwwelpeter reloaded“ ihre Version der Geschichte vom „Wilden Jäger“ vorstellt: „Hündchen lynchen in München“. Die überleben sonst alles, die Viecher, ob Hündchen, Tauben, Hamster oder auch Katzen wie Minz und Maunz.
Um aber doch eines klarzustellen: ich habe nichts gegen Katzen (habe ja selber eine), ebenso wenig, wie Sarah Hakenberg etwas gegen Kinder haben dürfte. Stattdessen entlarvt ihr bitterböses neues Programm, das sie in Gauting vorstellte, jene Kinderhasser, die sich auf ihre Vorstellung vom Aufwachsen in bester Struwwelpetermanier einen Reim machen, bei dem sich „Christkind“ zu „artig sind“ fügt oder eben das Schicksal der drogenabhängigen Aline zum Wundermittel Ritalin. Bestandaufnahmen von Kinderrealitäten sind beide, der gute alte „Struwwelpeter“ aus dem Horrorkabinett des 19. Jahrhunderts und die „Reloaded“-Fassung der Musikkabarettistin.
Das Programm begann mit einem – leicht akademisch angehauchten – Überblick der verschiedenen existierenden Fassungen des „Struwwelpeter“, angefangen bei der „Struwwelliese“ über den „Anti-Struwwelpeter“ bis hin zum „Schwuchtelpeter“, alles mit Beispielen in Buch- und Zitatform belegt und kommentiert. Das war zwar sehr interessant, hätte aber leicht in eine ganz andere Richtung führen können. Glücklicherweise schlug die bestinformierte Kabarettistin schon bald einen ersten Haken und entführte mit süßestem Lächeln auf den grausamsten Schauplatz real existierenden Darwinismus, wo, wer nicht in Form ist, einfach mal in der Röhre stecken bleibt: auf den Spielplatz. Hier erwischt es den modernen Suppenkasper, den drallen Kalle, beim Rutschen. Es folgt die medizinisch zurechttherapierte weibliche Variante des Zappelphilipps, die Ritalin-Aline, auf die Sarah Hakenberg eine Hymne zu singen weiß: „Ein Hoch auf legale Drogen“ wie eben Ritalin und Co., später geht es um den zeitgemäßen Daumenlutscher, die Handy-Mandy, der kurzerhand beim SMSen von einem ebenfalls smartphoneabgelenkten Autofahrer der Arm abgefahren wird.
Sarah Hakenbergs Programm trägt eine ganz eigene Handschrift. Die Musik spielt eine große Rolle, die am Klavier präsentierten Spottverse und bösen Lieder bilden das Herz des Abends. Ein Stück wird auf der Gitarre begleitet: die Geschichte vom „Fliegenden Robert“ in einer tiefsinnigen, unter der Wollmütze cool eingefrorenen Singer-Songwriter-Fassung. Mindestens ebenso wichtig sind die schwarzhumorigen Texte, die das scheinbar Süßliche des Originals ad absurdum führen. Und ja: Frau Hakenberg hat sie alle selbst geschrieben, obwohl sie eine Frau ist. Wie lautet doch ihr Rat an die bösen, immer ärgernden Buben: „Euer Leben hängt am Fädchen ärgert ihr zu arg die Mädchen, scheinen sie auch brav und schlicht, so unterschätzt sie lieber nicht.“
Musikkabarett, ja; aber auch Poetry, ganz viel Poetisches, mit Sinn für Rhythmus und gesprochene, gesungene Sprache. Und eine dicke Schicht Schwarz über dem grell vorgeführten Zuckerguss. „Makaberett“, habe mal jemand ihre Version des Kabarett genannt, erzählt Sarah Hakenberg. Das könnte ein Name sein.