Da war er wieder, der männliche Ur-Typ des Spider-Murphy-Gang-Fans: Um die 60 Jahre alt, weiße Turnschuhe, hellblaue, abgewetzte Jeans, das inzwischen etwas gelichtete Vorderhaar zur bayerischen Version einer Elvis-Tolle gruppiert und im Gepäck ein seit den siebziger Jahren wacker erarbeitetes Bäuchlein. Wenn Günther Sigl, Barny Murphy & Co. irgendwo zwischen Hallertau und Oberland ein Konzert geben, ist er da, parkt draußen seinen Daimler und singt drinnen all die Lieder mit, die längst zum Münchner Kulturgut gehören. Diesmal führte ihn sein Weg also ins Gautinger „Bosco“: Ein Spider-Murphy-Gangster ist ungefähr so nibelungentreu wie ein Sechz´ger-Fan, denn nur hier findet er noch das musikalische Echo seiner Giesinger Jugend und den „Sommer in der Stadt“, wie er zwischen Flaucher und Monopteros einmal gewesen sein muss. Die Spider Murphy Gang hat im Oktober ihr 40-jähriges Band-Jubiläum gefeiert, mit zwei Konzerten in der Olympia-Halle. Günther Sigl erinnert sich auch noch an das „25-Jährige“, 2002 im Circus Krone, und sogar noch an das Jahre 1957, als er zehn Jahre alt war und das Radio in der Küche die Verbindung zur großen Welt war, mit Beschriftungen wie Kopenhagen oder Hilversum – man musste nur am Frequenzregler drehen. Sigl hat damals die Musik von Chuck Berry, Bill Haley und Elvis Presley für sich entdeckt, war entflammt für den Rock´n´Roll, „Blue Suede Shows“ und ein ganzes rebellisches Lebensgefühl. Und irgendwann gelang es ihm und seinen Mitstreitern, dieses Grundgefühl in ihrer Musik auch auf gut Münchnerisch auszudrücken – eine Vorstadtcombo, die ihren Namen einer Songzeile aus Elvis´ „Jailhouse Rock“ entnommen hatte, wurde zur Kultband.
Der in Gauting lebende Ludwig Seuss, Spider-Murphy-Gang-Mitglied seit nun auch schon 31 Jahren, dürfte als Koordinator der „Jazz“-Reihe daran mitgewirkt haben, dass die „Spiders“ zu diesem als „Unplugged“ angekündigten, dann aber doch „verkabelten“ Konzert ins Bosco gekommen sind – er selbst agierte am Klavier und „an der Ziach“, wie Band-Boss Sigl das Akkordeon nennt, und machte die Sache mit seinen berühmten, hüpfenden Boogie-Fingern so richtig rund. Die Band hat außerdem in Otto Stanioli einen Saxophonisten und Flute-Spieler an Bord, der es ermöglicht, „Goin´ Up The Country“ von „Canned Heat“ ziemlich nah am Original zu servieren. Ergänzend zu den Frontleuten Sigl/Murphy an den Gitarren spielt Willi Duncan den Bass, wuchtet Andreas Keller das Schlagzeug, kümmerte sich Günther Radig diesmal zusätzlich um händische Percussion.
Und dann ging´s halt wieder rund mit „Rock´n´Roll Schuah“, „Pfiati Gott, Elisabeth“. „Skandal im Sperrbezirk“ und natürlich der „Schickeria“, diesem ewig gültigen Song-Denkmal für jenes München, das sich halt gelegentlich für was Besseres hält: „Ja, gestern hama Haschisch graucht / Und heit schnupf ma Kokain / Und morgen sitz ma in Stadelheim / Aber Hauptsach, mia san in...“ Nie wieder hat jemand in so rasanten Liedzeilen der Landeshauptstadt den Spiegel vorgehalten. Genau dafür aber wurden und werden die „Spiders“ vom Volk so geliebt – weil sie dem „Gschleckerten“ schon immer eine Abfuhr erteilt haben und guten, handgemachten Rock´n´Roll mit einem Schuss Hasenbergl und Au-Romantik gewürzt haben. „Mia san a Rock´n´Roll Band“, heißt ein Song von ihnen, als wenn das noch extra betont werden müsste. Und wenn er dann noch sieht, wie Barny Murphy im ferrariroten Mechaniker-Overall auf der Bühne steht und mit qualmender Zigarette am Gitarrenhals spielt, dann hat auch der in die Jahre gekommene Ur-Fan wieder Hoffnung - für Giesing, für seine Sechz´ger, für die ganze Arbeiterklasse vielleicht und sogar für den untoten Elvis. Standing Ovations im Bosco, aber Günther Sigl sagt nur „Basst scho!“