„Du wirst nicht reich mit der Bluesmusik, aber du kriegst Charakter“ - so beginnt der Abend mit Stephan Zinner und Peter Pichler, und zumindest das mit dem Charakter scheint zu stimmen: das, was die beiden Künstler über die Bühnenrampe bringen, ist so charaktervoll wie ein frisch gezapftes Helles aus dem Holzfass. Zinner und Pichler haben den Blues, und zwar den echten, den aus Trost-Town down in Upper Bavaria nahe beim Chiemlake-Delta. Wer dort aufgewachsen ist wie Zinner, der hat diesen Sound aus Mollakkorden und seelentiefen Harmonien seit der Wiege im Blut und weiß ein Lied davon zu singen. Vom Teufel, der immer an der Kreuzung wartet, die in der Regel in dieser Gegend ein Kreisverkehr ist. Vom Nazi in der Kiste, der nicht mal mehr auf dem Wertstoffhof entsorgt werden kann, denn dort nimmt man ihn nicht. Von Egoisten, Tinderdates und allem, was der Blues so bereithält in seiner bayerischen Variante.
Und von der verstehen Zinner und Pichler wirklich was. Dabei sind die Parts gut aufgeteilt: während Stephan Zinner den Frontman gibt und jede Bluesnummer in eine köstliche Geschichte verpackt, bleibt Pichler mit sonnenbrillenverstecktem Pokerface im Hintergrund, wo er ein ganzes Arsenal an Tasten- und Rhythmusinstrumenten mit größter Präzision bearbeitet und auf diese Weise den Boden bereitet für die musikalische Seite des Abends. Auf diesem Boden erkunden die beiden dann gemeinsam Klassiker des Blues und erzählen diese weiter. Dabei greift Zinner immer wieder nach einer anderen Gitarre, unter denen die Blechbüchsen-Gitarre mit ihrem scheppernden Sound wohl die kurioseste ist.
Was Stephan Zinner so virtuos beherrscht wie seine verschiedenen Gitarren, das ist diese Mischung aus Plauderton und perfekt gesetzten Pointen. Wenn er aus seinem Alltag mit den inzwischen im Teenager- und Aufbruchsalter stehenden Kindern und seiner alle Eskapaden beruhigend kommentierenden Frau erzählt oder von Auseinandersetzungen mit Mitmenschen unterschiedlichster Couleur, dann entsteht unaufhaltsam der Eindruck einer höhst privaten, sehr persönlichen Atmosphäre - ganz so, als säße man miteinander im Wohnzimmer unter Freunden, und einer erzählt amüsant ein paar Begebenheiten. Von dem unfreiwillig belauschten Tinderdate am Kneipentisch beispielsweise, bei dem ihn die modisch super enge Hose des Gegenübers leicht beunruhigt hat - „Oida, wo verräumst du dein Zeug?“
Ebenso persönlich und darum berührend wie die Geschichten sind die Blues-Songs, die häufig auf tradierten Melodien basieren und immer mit bayerischen Texten aufwarten. Dabei kommt auch mal ein Ausflug ins Pop-Genre vor, immer aber bluesig basiert, wie „Shit Storm“ auf der Melodie von Tom Jones`“Sex Bomb“. Großartig ist der „Egoisten-Blues“, wohl inspiriert von Erfahrungen mit Hamsterkäufern in der Corona-Zeit - „Des Klopapier, des g´hert nur mia“. Und zum Hinschmelzen schön ist der Song über das Vergängliche, das natürlich im Blues beheimatet ist: „Egal, ob du ein König bist oder ein Narr, irgendwann ist´s Zeit zum Servus-Sagen“.
Diesen Zeitpunkt möchte das Gautinger Publikum am liebsten so lang wie möglich hinauszögern, so dass es noch die eine oder andere Zugabe gibt. Eines aber ist klar: Stephan Zinner ist ein König - einer, dem es weniger um Reichtümer geht als ums Charaktervolle.