Zur zweiten Ausgabe der neuen Gesprächsreihe "Talking Heads“, innerhalb derer sich mit den verschiedensten Menschen aus Gauting und Umland beschäftigt wird, um ihnen und damit auch „uns“ ein Stück näherzukommen, hatte sich Stefan Berchtold verschiedene Gäste aus der Landwirtschaft eingeladen. Im Zuge der aktuellen Protestwelle der Landwirt:innen in Deutschland und Europa wolle er innerhalb des Gespräches mal nachfragen, wer diese Menschen überhaupt sind und was sie antreibt, „danach kennen wir uns alle wieder ein bisschen besser“.
Eingeladen waren und diskutiert haben Florian Haas mit einem Ackerbaubetrieb in Hausen, Martin Fink, ein Landwirt aus Gilching, Georg Holzer, der Kreisobmann des Bauernverbandes Starnberg, Maria Theresia und Georg Zankl, die einen Bio-Landbau in Gilching bewirtschaften und Max Stürzer mit Tochter Sara Stürzer, die Ackerbau in Leutstetten betreiben.
Zunächst ging es viel um das Berufsbild der Landwirt:innen im Ganzen; alle eingeladenen Gäste sind selbst in der Landwirtschaft tätig geworden, da sie in diese hineingeboren wurden, generell sei es schwierig, anders Landwirt:in zu werden, man brauche ja auch einen Betrieb oder Flächen, die man sonst zur Pacht finden müsse. Generell seien aber die verschiedenen Ausbildungen in den jeweiligen Abschlüssen vergleichbar, und letztere so vielfältig einsetzbar, dass man damit auch andere Berufe ergreifen könne. Ein Konsens unter den Gästen setzt sich sofort durch, für den Beruf in der Landwirtschaft müsse man brennen, anders würde man ihn nicht ergreifen, da man kaum Geld verdienen könne und keinen geregelten Arbeitsplan mit freien Wochenenden und Urlauben habe, da man von nicht beeinflussbaren Faktoren wie den Tieren und dem Wetter abhängig sei.
Das Publikum, in dem auch einige Landwirt:innen sitzen, wie sich schnell herausstellt, ist von Anfang an begeistert und diskutiert bereits mit, wodurch sich das Gespräch schnell auf den Einsatz von Glyphosat und Pflanzenschutzmitteln richtet. Hier ist man sich im Publikum uneinig, auf der Bühne dafür nicht ganz so doll. Schnell wird der Einsatz erklärt und die Konsequenzen aufgewiesen, die der Verzicht darauf mit sich bringt und die einer der Gäste auch selbst jahrelang ausprobiert hat, so verheiße der Verzicht auf Glyphosat beispielsweise den Gebrauch von mehr Diesel. So nachvollziehbar viele der Argumente auf Seiten der diskutierenden Gäste sind, so einseitig und endgültig werden sie doch auch dargestellt. Immerhin einer der Gäste macht deutlich, dass immer wieder Fehler begangen wurden, da schon bereits die Mechanisierung der Landwirtschaft und später auch der Einsatz von Düngemitteln immer erst ausgereizt werden mussten, um eine Grenze des Guten und damit auch ein Optimum festlegen zu können - wie viel ist zu wenig, wie viel ist genug? Wie in allen Bereichen hört auch das Lernen in der Landwirtschaft nicht auf, dadurch wird es aber immer Reibungen geben. Er fühle sich ein bisschen in der Ehre angegriffen, wenn dennoch die Schlagzeilen negativ bleiben und am Ende immer die Landwirt:innen Schuld seien, meint einer der Gäste. Schließlich mische sich die Politik und die breite Bevölkerung viel zu sehr ein, dabei hätten doch sie, die Landwirt:innen, die Ausbildung gemacht und wirklich Ahnung von dem, was sie da tun - breite Zustimmung unter den Diskutierenden, auch, wenn die Meinungen zum konkreten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auseinander gehen.
Stefan Berchtold erkundigt sich nach den Protesten, alle anwesenden Gäste waren demonstrieren. Was hat sie dazu angetrieben? Die aufgezählten Gründe sind im Prinzip nachvollziehbar; die Menge der politischen Entscheidungen der letzten Jahre haben das Fass zum überlaufen gebracht, etliche Auflagen und Gesetze würden die Arbeit einschränken, ein Wirrwarr von Bürokratie diese zusätzlich erschweren, die Angst vor der Zukunft des Betriebes durch den zunehmenden Verlust an Einnahmen habe schließlich alle Landwirt:innen, klein wie groß, vereint und zum Protest getrieben. Dieser Zusammenschluss sei auch sehr emotional gewesen, berichtet einer der Gäste. Die Krisen der letzten Jahre haben alles teurer gemacht, nun seien die Getreidepreise aber wieder auf dem Niveau von 2019 angekommen, während keines der daraus gefertigten Endprodukte im Verkauf ebenfalls wieder günstiger geworden sei. Vieles ist sehr nachvollziehbar, wird aber gleichzeitig auch alternativlos und einseitig argumentiert, klingt wenig individuell reflektiert und ist alles so bereits durch den Bauernverband bekannt. Die sehr spannende Frage des Moderators Stefan Berchtold, warum sich die Proteste so sehr gegen die Politik und nicht gegen die den Markt bestimmenden Abnehmer gerichtet haben, warum die Schuld im Billigwahn der Konsument:innen und nicht im Konkurrenzkampf der Großkonzerne gesucht werde, bleibt beispielsweise leider unbeantwortet.
Generell zeichnet sich aber doch ein spannendes, weil tief menschliches Bild der Landwirt:innen, das Gespräch nähert sich ihnen behutsam und sorgt für reichlich Redebedarf unter den Zuhörenden, kritisch wie zustimmend. Am Ende schön, dass man dafür in einen offenen Austausch kommt und die Menschen hinter den Protesten kennen lernen kann; ob man einer Meinung ist oder nicht, am Ende kennen wir uns nun doch alle wieder ein bisschen besser.