Gauting – „Die Suiten von Johann Sebastian Bach begleiten mich ein Leben lang. Und ich entdecke immer wieder Neues“, sagt Cellist Heinrich Klug beim „Tee bei Sabine.“ Was der langjährige Konzertmeister der Münchner Philharmoniker damit meint, hören rund 30 Zuhörer gleich in der gut gefüllten bosco-Bar. Der Schöpfer der Kinderkonzerte der Philharmoniker intoniert mit unvergleichlich dunklem Timbre die erste Solo-Suite in G-Dur: Klug lässt das reich komponierte Werk von Johann Sebastian Bach als klaren Wasserstrom dahin fließen – in einer kosmisches Unendlichkeit, bis zum furiosen Finale.
Generationen von Kindern hat Heinrich Klug schon für Musik begeistert. Denn der Wahl-Buchendorfer sog diese Leidenschaft mit der Muttermilch ein. „Ich wuchs in Kleinzschachwitz bei Dresden auf“, erzählt der Cellist im heiteren Tee-Gespräch mit Sabine Zaplin. Schon als Zweieinhalbjähriger „konnte ich 30 Lieder singen“, entnimmt der Sohn einer Geigerin dem Tagebuch seiner Mutter. Der Vater, Arzt und Geburtshelfer, hatte eine „wunderbare Stimme“. Geige, Klavier und Cello lernte der Mediziner im Selbststudium.
Schon in Dresden trat die Familie als Quintett auf – damals noch zu DDR-Zeiten. Heinrich Klug übernahm später den Part seines „schlimm verunglückten“ gestorbenen ältesten Bruders: das Cello.
„1955 habe ich rübergemacht“ – in den Westen, erzählt der heute 80-Jährige. Der Dresdner studierte bei Musik-Hochschullehrer Adolf Steiner in Köln.
„Dieses Cello habe ich seit über 50 Jahren“: Als Heinrich Klug 1963 als 1. Cellist zu den Münchner Philharmonikern kam, kaufte er ein kostbares Instrument des Geigenbauers Jean-Bapstist Vuillaume von 1840. Das damals für 20 000 DM erworbene Cello „ist heute das 10- bis 15- Fache wert“, verrät der Musiker.
Wie war das in den 1960er-Jahren im Westen mit der Konkurrenz? Kein Vergleich, sagt Konzertmeister Klug. Das Konkurrenzdenken unter best ausgebildeten Musiker sei in den Jahren nach der Wende schlimmer geworden. Auf eine Stelle im Orchester „kommen heute 150 bis 200 qualifizierte Bewerber.“
„Karneval der Tiere“. Sabine Zaplin zeigt das Plakat mit dem ersten Philharmoniker-Konzert für Kinder. Das war vor über 40 Jahren: „Mein älterer Bruder Hartmut“, Pianist, Komponist und Dirigent, spielt auf dem Klavier das Zebra – und „schwingt den Taktstock“, erinnert sich der Cellist.
Gleich in der ersten Reihe im Publikum sitzen Susanne Forster und Stefan Fichert von den London Puppet Players. Das Gautinger Künstler-Paar hat mit Klug und seinen Philharmoniker-Kollegen schon den „Josa mit der Zauberfiedel“ oder „Mozart auf Reisen“ auf die Puppenbühne gebracht.
Darauf ist der leidenschaftliche Cellist und begnadete Pädagoge besonders stolz: Als Sechs- oder Siebenjährige spielte die heutige Weltklasse-Geigerin Julia Fischer aus Gauting einen Part in der Bartok-Suite: „An ihrem Erfolg bin ich nicht ganz unbeteiligt“, findet der humorvolle 80Jährige. „Für mich ist das Weihnachten“: Nur wenige Schritte vom Haus des Ehepaars Klug entfernt, in der prächtig gestalteten Buchendorfer Kirche mit dem Rokoko-Erzengel Michael von Johann Baptist Straub, veranstaltet Heinrich Klug bereits das 43. Buchendorfer Adventskonzert. Denn in dieser Kirche wurde in den 1970er-Jahren „unsere Tochter Sonja evangelisch getauft.“ Julia Fischer und Lena Neudauer hatten in Buchendorf im umjubelten Vivaldi-Konzert „Vier Jahreszeiten“ mit Philharmonikern die Geigensoli gespielt – vor zwei Jahrzehnten. Und hier schließt sich der Kreis: Am 19. Dezember wird die erst 10jährige Jugend-musiziert-Preisträgerin Clara Shen mit der Solo-Geige zu hören sein – wiederum in Vivaldis „Vier-Jahres-Zeiten.“ Wen würde es wundern, wenn auch dieses von Klug geförderte Ausnahme-Talent irgendwann in einem Atemzug genannt würde – mit Julia Fischer?