„Ich wusste gar nicht, dass Sie zwei Personen sind“, wunderte sich eine Besucherin vor der Veranstaltung in der gut gefüllten Bar des Gautinger bosco. Höchst vergnüglich erzählten dort die beiden Schwestern Monika und Petra Bezdek beim Teegespräch mit Kulturjournalistin Sabine Zaplin aus ihrer Kindheit, aber auch von der Eltern- und Kulturarbeit des EKP (Eltern-Kind-Programms). Das vor gut drei Jahrzehnten „von unserer Mutter“ Ursula Bezdek gegründete EKP mit Familienzentrum in der Alten Schule Stockdorf ist nicht nur im Würmtal eine Institution in dritter Generation. In Shanghai, China, gaben die beiden Pädagoginnen einem EKP-Kindergarten gerade Starthilfe.
Mit amüsierten Publikums-Lachen beginnt dieses Teegespräch. Denn Monika und ihre jüngere Schwester Petra Bezdek stellen statt dem üblichen Teegeschirr zwei edle Mokkatässchen auf den Podiums-Tisch: Bei Zugfahrten zur Großmutter in Dresden mussten die beiden kleinen Töchter von Ursula Bezdek die wertvollen Meißner-Tässchen in ihren Manteltaschen über die Grenze „schmuggeln“, erinnert Monika Bezdek an die frühen 1960er-Jahre: „Was haben wir gebibbert.“ Denn das war noch zu DDR-Zeiten. „Auch Geld“ und Musikkassetten haben „die Bezdeks“ verbotenerweise von Ost nach West zur Großmutter in Dresden transferiert. Einmal saßen die beiden Schwestern strickend im Zug. Denn die Hörkassetten hatten sie im Wollknäuel verborgen: Doch der DDR-Zöllner schüttelte die Knäuel – und es machte „klack klack“, wirft Monika Bezdek den Blick zurück – und: „Wir mussten die Kassetten da lassen.“
„Wir werden oft verwechselt“, bekennen die Schwestern, die sich ziemlich ähnlich sehen. Aber in ihrer Kindheit gab`s heftige Konkurrenzkämpfe. Denn die jüngere Petra „war ein Überflieger“, dem in der Schule „alles zufiel“, sagt die ältere Monika. Deshalb habe sie ihre kleinere Schwester gehasst. Einmal habe Petra sie sogar in den Bauch gebissen. Da sagte meine Mutter: „Wehr`dich halt.“ Aber „das kann ich nicht: Sie ist doch die Kleinere“, antwortete die ältere Monika. Sogar im Klavierspiel habe sie die zwei Jahre jüngere Petra ohne Üben überflügelt – und ihr in Mathe Nachhilfe gegeben. Doch dann kam endlich der Triumph: „Ich war nur einmal durch den Führerschein gefallen – Petra aber zwei Mal“, erzählt Monika Bezdek unter belustigtem Publikums-Gelächter.
Seither gibt`s die beiden Schwestern im Doppelpack: Von ihrer verstorbenen Mutter übernahmen die beiden studierten Pädagoginnen das Familienzentrum des EKP in der Alten Schule Stockdorf.
Ursprünglich hatte Freizeitpädagogin Ursula Bezdek das Projekt als „Kinderparkplatz“ des Familienhilfswerks Ende der 1960er-Jahre gegründet. In dem Modellprojekt wurden auch schon zwei anwesende Gautingerinnen „geparkt“: Im Stockdorfer Familienzentrum „durften die Kinder von den Schränken auf Matratzen springen“, erzählen die Schwestern. Auch im damaligen Don-Bosco-Heim und im Jugendzentrum Gauting gab`s solche Kinderparks. Erst 1987 gründete „unsere Mutter“ aus dem geförderten Modellprojekt am Institut für Frühpädagogik den Verein „Eltern-Kind-Programm“ mit Sitz in der Alten Schulen Stockdorf. Ein weiteres EKP-Erfolgs-Modell-Projekt ist das Netz für Kinder in der Alten Schule Buchendorf.
„Elternbildung steht bei unserer Arbeit im Vordergrund, die Kinder dürfen dabei sein – und Spaß haben beim Spielen“, erläutern die beiden Pädagoginnen ihr Konzept.
„Ist denn das Elternsein 2018 so viel schwieriger?“, fragt Moderatorin und Zweifach-Mutter Sabine Zaplin „Es ist nicht schwierig, wenn sich die Mama auf ihren gesunden Menschenverstand und ihr Bauchgefühl verlässt“, antwortet Kunstpädagogin und EKP-Gruppenleiterin Petra Bezdek. Doch heutzutage würden die Eltern mit einer Flut von Ratgeber-Literatur zutiefst „verunsichert.“ Medien stünden immer mehr im Vordergrund: Wie oft sehe sie Mütter, die „ständig am Handy hängen“, ins Smartphone-Mikro lachten oder gar schrien, während ihr Kind unbeachtet im Buggy sitzt. „Wenn ich das lebe, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn das Kind auch nur am Handy hängt.“ Ernsthaft über Erziehung in einer Elterngruppe „nachzudenken“ sei daher der erste Schritt.
Auch eine Mutter aus Shanghai war schon mit ihrem Kind im EKP-Familienzentrum Stockdorf: Die Chinesin war vom pädagogischen Konzept derart überzeugt, dass sie einen EKP-Kindergarten in Shanghai gründete. Im vergangenen Herbst flogen daher die beiden Schwestern nach China: „Dort ist es echt schlimm“, erzählt Monika Bezdek von der dortigen Ein-Kind-Leistungs-Gesellschaft, wo nur „der Beste zählt.“ Sechs Erwachsene, nämlich zwei Großeltern und Eltern, kümmerten sich um ein einzelnes Kind zu Hause. Mit drei Jahren müssen Tochter oder Sohn die Aufnahmeprüfung zum besten Kindergarten schaffen – in Englisch und Mathematik. Ein kleiner Chinese, der dieses Ziel nicht erreiche, habe auch keine Chance „auf ein gute Uni.“
Vor diesem Hintergrund hätten die Erzieherinnen in Shanghai auch das Programm des EKP durchgepeitscht - „auf Englisch“, ohne Bezug zu den Kindern „und ihrer eigenen Kultur.“ Bei der Schulung haben Monika und Petra Bezdek deshalb die Shanghaier EKP-Gruppenleiterinnen dazu „gezwungen“, chinesische Lieder und Spiele aufzugreifen Und siehe da: Das populäre Spiel „Schau nicht um, der Fuchs geht um“ kennt nicht nur jedes Kind in Europa, sondern auch jeder Mensch in China. „Eltern und Großeltern“ haben auch die neu eingeführten chinesischen Lieder sofort begeistert „mitgesungen“, freuen sich die Schwestern über ihre erfolgreiche Kulturarbeit – nicht nur beim „Kinderkult“ des Gautinger Kulturspektakels, sondern auch in Shanghai, denn: „Beziehung ist oft wichtiger als Erziehen“ für die Leistungsgesellschaft, findet Petra Bezdek.