Das tut man nicht als anständiger Mensch: mit einem Fleck auf der Uniformjacke nach draußen gehen. Das ist beinahe so, als würde man nackig draußen herumlaufen. So will Stefan Maatz vom Theater Con Cuore anfangs noch diesen Fleck verbergen, auf den ihn Virginia Maatz aufmerksam gemacht hat. Beide sehen aus wie Zoowärter oder Busfahrerinnen in ihren Uniformen, und beide passen darum auch so gut in die ordentliche kleine Stadt, die sie da auf der Figurentheaterbühne entstehen lassen. In den ordentlichen rechteckigen grauen Wohnkästchen wohnen der außerordentlich ordentliche Herr Nilpferd und die sehr brave und anständige Frau Elefant. In der Wohnung zwischen ihnen lebt der junge, mutige Herr Tiger, der eines Tages etwas in sich spürt, was sich nicht so recht mit all der Ordnung und dem Anstand vertragen will: etwas Wildes. Und je mehr die brave Nachbarschaft ihm das ausreden will, desto unbändiger macht es sich in ihm breit. So wandert er irgendwann aus in die Wildnis. Da gefällt es ihm zwar recht gut, doch er zahlt einen hohen Preis: er ist hier ganz allein. Und so kehrt er eines Tages zurück - doch auch die ordentliche Stadt hat sich verwandelt…
Virginia und Stefan P. Maatz erzählen und spielen ihr Stück „Tigerwild!“ - frei nach dem Kinderbuch „Herr Tiger wird wild“ von Peter Brown - als eine sehr zeitgemäße Geschichte vom Widerspruch zwischen Natur und Gesellschaft. Mit einem Zylinder ausgestattet, passt ihr Plüschtiger noch gut an den Kaffeetisch seiner Nachbarin, Frau Elefant. Doch eigentlich möchte er lieber vor den Wohnkästen mit den Kindern herumtollen, noch lieber möchte er im Stadtpark-Brunnen plantschen. Die Kisten mit ihren aufgemalten Hausfassaden werden ihm zu eng. Zu „Born to be wild“ bricht er auf.
Mit sparsam, aber passend eingesetzter Musik und Requisiten, wie sie jedes Kinderzimmer bereitstellt, verwandelt sich die Szene. „Haben wir denn nichts für dier Wildnis dabei?“ fragt Stefan Maatz, und Virginia Maatz zieht schon die bestickte Decke auf den Tisch, hängt den Vorhang aus Schlingpflanzen darüber und lässt ein blaues Tuch zum Wasserfall werden. Später tragen die Holzkisten bunte Fassaden, Frau Elefant trägt einen lila Hut, und die Wildnis zieht in die Nachbarschaft. Sogar die Uniformen von Puppenspieler und Puppenspielerin können, ein bisschen aufgeraut, von eigenem Willen zeugen. „Solange es die anderen nicht stört, kann man ruhig wild sein“, erklärt sogar der ordentliche Herr Nashorn. Und so lässt es sich in der Gemeinschaft leben - wild und rücksichtsvoll zugleich.