Schon vor Beginn sitzt Schauspielerin Sandra Pagany auf der Bühne und spielt mit Wäscheklammern. Steckt sie sich auf die Finger, steckt sie zu großen Türmen übereinander, und natürlich stürzen diese Klammertürme irgendwann ein - zum großen Vergnügen der Kinder, die noch etwas auf den Beginn warten müssen, denn eine Kindergruppe trifft gerade noch ein. Warten müssen gehört zum Theater dazu, denn es fängt ja niemals sofort an und auch zwischendurch muss man mal warten, bis der Spannungsbogen wieder nach oben führt. Auf Theater für die Allerkleinsten hat sich das freie Theater Mär aus Hamburg, mit Zweigstelle im Allgäu, spezialisiert. Und so müssen bei der Vorstellung „Eins zwei drei Tier“ nach dem Bilderbuch von Nadia Budde mal die Größeren, die Fünfjährigen, auf die durchaus im Saal ebenfalls vertretenen Zwei- bis Dreijährigen Rücksicht nehmen üben, auch wenn sie alles schon viel schneller und besser wissen und gern selber die Fäden in die Hand nehmen würden. Aber sie machen das ganz gut mit dem Rücksichtnehmen.
Und das liegt an Sandra Pagany und ihrem sehr bewussten Spiel, ihrem Gespür für die Stimmung im Saal und ihrem klaren Umgang mit Tempo sowie mit Nähe und Distanz. „Wir hier - Da Ihr“, lautet der letzte Reim der an lustigen Reim- und Ratespielen reichen Vorstellung. Erst da, nachdem die eigentliche Vorstellung vorbei ist, nimmt Pagany direkt Kontakt mit den kleinen Zuschauerinnen und Zuschauern auf und lässt sie teilhaben, indem sie einige Figuren den Kindern übergibt und diese das Spiel mit den Tierstimmen mitbestimmen lässt.
Zuvor war die Wäscheleine die Bühnenrampe. Auf dieser spielte sich das Geschehen ab. Zunächst zog die Spielerin drei freche Burschen aus dem Rocksaum: „Eins, zwei, drei…“ - aber ein Vierter blieb zunächst aus. Auf Vier reimt sich Tier, und so gesellte sich irgendwann ein Tier zu den Burschen: „Benno, Eddi, Rolf - Wolf“. Dann wurden die Verhältnisse betrachtet: „Groß, Mittel, Klein - Schwein“, später dann Spielarten des Äußeren: „Glatt, Lockig, Kraus - Maus.“ Auf diese Art steigerte sich das Tempo und mit ihm die Mitspiellaune der Kinder, die eifrig und lautstark reimten und sich aufs Raten einließen. Bevor es explodierte, nahm Sandra Pagany das Tempo wieder heraus, indem sie eine leise Musik erklingen ließ und eine neue Variante entwickelte. Eine Katze wurde müde und sogar krank, ein Hase traute sich nicht, zu hüpfen: „Ein, zwei, drei: Hopp!“. - „Du hast nicht Bitte gesagt“, monierte ein Zuschauerkind. Und siehe da: nun wagte der Hase den Sprung.
Für die allererste Theatererfahrung bietet das Theater Mär, gerade mit „Eins, zwei, drei, Tier“ den besten Einstieg und führt die Kleinen sanft aus der Bilderbuchwelt heraus in die Dreidimensionalität der Theaterwelt. „Wann gehen wir wieder ins Theater?“ fragte ein Kind beim Herausgehen. Ein besseres Kompliment kann es wohl kaum geben.