„Es war einmal“, beginnt Friederike Krahl vom Figurentheater Marotte, ganz klassisch im Stil einer wunderbar langsamen Erzählung geht es los. Und sofort hängen die Drei-, Vier- und Fünfjährigen ihr an den Lippen. Krahl erzählt die Geschichte von „Jumbo und Winz“, zwei ungleichen Freunden, erzählt vom Unterschied zwischen Klein und Groß und davon, dass man immer so gern anders wäre, dass es aber doch am besten in der eigenen Haut ist, auch wenn diese nicht perfekt sein kann.
Zwei kleine blaue Stühle stehen auf der Bühne vor weißem Halbrund-Horizont, neben den Stühlen ein grüner Turm, der sich schon bald als Kostüm entpuppt: die Spielerin schlüpft hinein und wird zu Jumbo, einem raupengleichen Wesen mit vielen Speckrollen am Leib. Jumbos bester Freund ist Winz, ein kleines gelbes Vögelchen voll flauschiger Federn. Die beiden spielen zusammen Raumschiff, sie essen zusammen und erkunden gemeinsam die Gegend. Doch manchmal kommt es vor, dass Jumbo den winzigen Freund aus Versehen fast erdrückt, und Winz entkommt seinem großen Kumpanen auf federleichte Weise. Am liebsten möchten sie tauschen, wären gerne so wie der andere. Der Zufall lässt sie in der verkehrten Welt hinter dem Halbrund landen, wo der Rollentausch wie im Wandelspiegel einfach möglich ist. Doch mit der Zeit stellen die beiden fest, dass das andere gar nicht das eigene sein kann - und sie kehren zurück in das, was sie vorher waren.
In der Regie von Eva Kaufmann entwickelt Friederike Krahl die Geschichte von „Jumbo und Witz“ (nach einem Bilderbuch von Eric Battut) mit einfachen, sehr elementaren Stilmitteln, bis in den Erzählerton hinein. „Ich dachte, du bist weg“, sagt Jumbo zum wiedergefundenen Winz, „aber jetzt bist du da. Das ist schön.“ Genau das ist die Welt der Drei- und Vierjährigen, ebenso wie das Erkunden des eigenen Platzes in der Welt. Jumbos Stuhl ist ihm zu klein, Winzens Stuhl ihm zu groß, doch tauschen hilft nicht, denn beide Stühle sind gleich groß. Die Vermessung der Welt aus der Kinderperspektive findet genau so statt; es gilt, die eigene Verhältnismäßigkeit zu erforschen. Für manches kann man schon längst zu groß sein, während man für anderes noch viel zu klein ist.
Elementar ist auch die Farbgestaltung: das Blau der Stühle, das Grün des Kostüms von Jumbo, das Gelb von Winz` Federkleid bilden vor dem weißen Hintergrund ein klares Spektrum, gut erfassbar und schön anzuschauen. Ruhe und Klarheit des Erzählertons einen hier ihre Korrespondenz.
Wie gut das alles zusammen funktioniert, zeigt die Reaktion der Kinder. Aus anfänglicher Scheu und verabredeter Ruhe wird, kaum dass das Pusten auf Winz´Federn immer wieder ein verlässliches „Hatschi“ provoziert, erlöstes Lachen, das nun immer wieder abrufbar ist. Die Kinder beginnen, sich heimisch zu fühlen, sie steigen ein in die Geschichte und sind überrascht, Vertrautes im fremden Raum Theater zu entdecken: „Die hat den Apfel ja echt gegessen!“ lautete ein Kommentar.
Am Ende gehen die kleinen Zuschauer mit der Gewissheit aus dem Saal, dass sie richtig sind, so wie sie sind und dass es durchaus seine Vorteile hat, klein zu sein. Und groß zu werden.