Superhelden sind rar gesät auf der Welt, das wissen schon die Kleinsten unter den Theaterzuschauern. Und vermutlich glauben nur die Versiertesten unter ihnen an die Existenz von Superheldinnen. Genau so eine steht im Zentrum des hinreißenden Figuren- und Menschenspiels, mit dem das hierzulande immer gern gesehene Theater Zitadelle aus Berlin im bosco gastierte. Geschickt gegendert heißt das Stück „Die gestiefelte Katze“, und die stiefelt - frei nach dem Märchen der Gebrüder Grimm - geradewegs ins Glück hinein, den Müllerssohn im Schlepptau.
Es beginnt mit dem Ende: auf dem Schloss des bösen Zauberers Sagrotan (schon der Name macht schaudern) wohnt jetzt der kreuzfidele jüngste Müllerssohn gemeinsam mit seiner Katze und schaut zurück auf den Weg, der ihn hierher geführt hat. Denn nachdem sein Vater ihm auf dem Totenbett nichts als die Katze hinterließ, sah es zunächst düster aus. Doch dann begann diese zu sprechen („Das tue ich nur, wenn es sein muss“) und einen Plan auszuhecken. Gestiefelt und gespornt, nimmt die Katze all das in die Hand, was dem Träumer aus Müllers Hause fremd ist: die Jagd nach Beute, den Handel mit dem König, den Kampf gegen das Böse. Und die Prinzessin kann der Bursche dank seiner Katze gleich mit erobern.
Regisseur Pierre Schäfer und Spieler Daniel Wagner haben mit sehr viel Charme und sichtbarem Vergnügen eine Geschichte aus den Märchenmotiven gezaubert, die von Mut und Verstand erzählt und davon, wie man auch im größten Schlamassel besser gewitzt weiterkommt als jammernd. Dabei wählen die Zitadellen-Spielleute einen genialen Weg: mit Berliner Schnoddrigkeit erzählt der Müllerssohn Friedrich seine Geschichte aus der Perspektive eines modernen Taugenichts. „Habta jemerkt, wa?“ beginnt er, seine noch in den Kinderschuhen steckenden Zauberkünste kommentierend. Und nimmt, was es zu erzählen gibt, beherzt selbst in die Hand. Die Katze wird zum Dialog-Partner, die Königsfamilie samt Kutscher Heinrich werden als Miniaturfiguren bewegt. Dabei entstehen großartige Momente: wenn der alte Müller beispielsweise dem Gevatter Tod begegnet, einem sanften Gesellen, der fast wie gerufen wirkt; wenn Friedrich als vermeintlicher Graf und die moderne, selbstbewusste Prinzessin die Liebe auf den ersten Blick zu „Je t´aime“-Backgroundsound erfahren, rot glühende Funken inklusive. Oder wenn sich der böse Zauberer mit ganz großer Show selbst in eine kleine Maus verwandelt - als Schattenspiel mit viel Poesie. Besonders gelungen ist der Umgang mit Grausamkeit und Tod, der immer mit einem Augenzwinkern dem großen Ernst die Schwärze nimmt. Es kann gut ausgehen für Müllers Söhne und Königs Töchter - solange sie auf die Katze hören.
Die kleinen Zuschauer waren begeistert. „Geht es gar nicht weiter?“ fragte ein Knirps, der einfach nicht aufstehen wollte. Kann es ein besseres Kompliment geben?