Frau Meier - „Meier mit i und nicht mit y“ - hat Angst. Angst, sich zu blamieren. Angst, dass Herbert, ihr Mann, aus dem Bett fällt. Überhaupt Angst, irgendwo herunterzufallen. Dann diese großen Ängste. Dass der Kuchen verbrennt oder ein Flugzeug in ihren Garten stürzt. Dann wären die Radieschen kaputt und überhaupt: wo sollen denn die ganzen Leute aus dem Flugzeug wohnen? „Meinst du, dass der Kuchen für so viele Leute reicht, Herbert?“ fragt Frau Meier ihren Mann. Den haut es fast vom Gartenstuhl, als er von dem abgestürzten Flugzeug erfährt. „Aber das hast du dir doch nur wieder ausgedacht“, brummelt er und rät seiner Frau, alle ihre Ängste auf weiße Papierblätter zu schreiben und an den Baum zu hängen. Die verwelken dann nämlich im Herbst, fallen vom Baum und sind verschwunden.
„Frau Meier, die Amsel“, heißt das nach dem Kinderbuch von Wolf Erlbach entwickelte Figurentheater, mit dem das Berliner Theater Zitadelle, häufiger Gast im bosco, heute vormittag gastierte. In bester Zitadellen-Manier wechseln die Spieler Regina und Ralf Wagner zwischen Groß und Klein zwischen Schauspiel und Figurenspiel hin und her. Sie sind selber Frau Meier und ihr Mann Herbert, sitzen am Küchentisch, sie schreibt ihre Ängste auf und er hockt daneben. Gleichzeitig gibt es sie im kleinen Format als Puppen, die nebeneinander im Liegestuhl flacken oder am Küchentisch einander gegenüber sitzen. Die Grenzen zwischen Groß und Klein verwischen, als Frau Meier in der Kommodenschublade eine junge Amsel entdeckt und sie aufzieht. Die Amsel plappert ein freches Berlinerisch, und während die große Frau Meier dem kleinen Vogel zeigt, wie man Würmer frisst („Ich glaube, der Wurm ist echt“, kommt eine Stimme aus dem Schulkinderpublikum, „der bewegt sich nämlich“), kann die kleine Frau Meier am Ende sogar fliegen.
Die Kommode mit ihren Schubladen wird mal zur Hauswand, mal zum Ofen, und dann wachsen aus den geöffneten Schubladen sogar Blumenbeete heraus. Mit großer Ruhe, manchmal fast beiläufig, erzählen und spielen Regina und Ralf Wagner eine Geschichte von der großen Angst und wie ein kleines Wesen dabei hilft, sie zu überwinden. Wer für jemanden sorgt, vergisst nämlich die Angst - die kehrt erst wieder, wenn der Zögling aus dem Nest heraus will. Und wer dieser Angst dann ins Auge schaut, der kann vielleicht am Ende selber fliegen.
Die Regie von Anna Freiin und Daniel Wagner setzte auf das Verknappen, Verdichten und kontrastierte dies mit frecher Komik. Die Poesie, die man von der Zitadelle sonst gewohnt ist, geriet dabei ein wenig in den Hintergrund - aber das war vielleicht auch dem Respekt vor der viel gefeierten Buchvorlage geschuldet.