Zum Beispiel der Pfirsich: es liegt auf der Hand, dass er kein Ich hat, obwohl doch „ich“ sich in seinem Namen verbirgt, sogar „sich“ steckt im Pfirsich. Ist er dann, im Hegelschen Sinne, ein Ding an sich? Die Sprache kann schon verpfirrend sein, sie zu entwirren macht ganz wirr, und ein Ente ist selten in Sicht. Gottseidank gibt es Spezialisten wie Sebastian Rüger und Frank Smilgies, die sich beherzt und bemützt unter den Namen Ulan & Bator und unter den dazugehörigen Kindermützen der Frage annehmen, wieviel Böden die Sprache besitzt und wieviel davon auch tatsächlich tragen. Das trägt manchmal zur Erleuchtung bei, immer aber zur allerbesten Erheiterung.
Da begibt sich ein Kunde in ein Sportgeschäft in der Absicht, „keine Einbauküche“ zu kaufen, denn die war im neuen haus schon vorhanden. Zum Glück hat sich das Sportgeschäft auf „keine Einbauküchen“ spezialisiert und kann mit ausgezeichneter Beratung dienen. Da stellt sich im Villenviertel ein neuer Nachbar vor, der dieselbe luxuriös ausgestattete Villa hat, denselben Nachnamen trägt wie der Alteingesessene, sogar denselben Vornamen, und der auch sonst in all seinen Vorlieben und Ausstattungsdetails dem anderen bis aufs Haar gleicht - abgesehen von einem winzigen Detail in einer gut gehüteten Kindheitserinnerung. Da ist der superreiche Sammler, der schon alles hat und sich auf verrückteste Einzelstücke verlegt hat: ein in den Fuß hineinoperierter, konmpliziertest veredelter Diamant oder die in den eigenen Kehlkopf hinein operierten Stimmbänder einer ausgestorbenen Tierart - Hauptsache, er sticht Mitkonkurrenten aus und weckt ihren Neid. Das Einzige, was ihn aus der Fassung bringt, ist die Erkenntnis, dass die exklusive BluRay-Fan-sammeledition seiner Lieblingsband irgendwann der Zerstörung anheimfällt - und sei es auch erst in einer Million Jahren.
„Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht“, heißt es einmal. Und tatsächlich gelingt Ulan & Bator auf ganz besondere Weise, in ihren absurden Sprachspielen und Späßen die tatsächliche Absurdität einer Menschheit aufzudecken, der im Prinzip alles möglich ist und die es dennoch nicht vermag, ihre Selbstabschaffung zu verhindern. Wenn die beiden Komiker und Schauspieler Sebastian Rüger und Frank Smilgies, die sich seit dem Schauspielstudium an der Folkwanghochschule Essen kennen und die seit fast zwei Jahrzehnten als Ulan & Bator auftreten, wie Demonstranten über die Bühne ziehen und dabei eine näherrückende Klangkulisse aufbauen, die zunächst wie Tonbrei klingt, aus dem sich dann Worte wie „Hunger!Pipi!Kalt!“ schälen, dann ist das ein Cartoon auf den Zustand der sich so aufgeklärt glaubenden Menschheit, wie man ihn kaum knapper und deutlicher skizzieren kann. Wenn aber sogar der im Kühlschrank vergessene Käse vom bösen grün schimmernden Käsezwerg zu einem ausgewachsenen Mitbewohner mutiert, der seine Mhd-Zahlen wie eine Fahne vor sich herträgt, dann bekommt der Begriff Mindesthaltbarkeitsdatum eine erschreckend andere, klare Bedeutung. „Zukunst“, heißt das aktuelle Programm, mit dem Ulan & Bator im bosco ihre-Gauting-Premiere feierten. Hoffentlich sieht man sie bald einmal wieder hier an der Würm. Allein, um noch einmal das Hauptwerk eines kasachischen Komponisten zu erleben, jenes Konzerts für zwei Stühle auf Holzboden mit dem wunderbaren Titel „Gaumensegel deconstruct“.