Zuerst die gute Nachricht: es sind noch Zuschauer dageblieben nach der Pause, Zuschauer, die sich nicht haben abschrecken oder verärgern lassen durch die unverhohlene Sympathie des Kabarettisten für die neue griechische Staatsregierung. „Die versuchen mal etwas anderes“, sagt Uli Masuth und geißelt im nächsten Satz das Vorgehen der EU, „ihre neoliberale Agenda um jeden Preis durchzusetzen.“ Wenigstens verstünde der griechische Finanzminister etwas von seinem Fach, was man von deutschen Politikern wohl nicht immer behaupten könne. Sätze wie dieser sorgten denn auch zu lauten Unmutsbekundungen im Publikum und zu Äußerungen wie „Totaler Schwachsinn“. Aber ist das nicht auch eine gute Nachricht: dass Kabarett im Publikum noch andere Emotionen freisetzt als den affirmativen Applaus?
„Und jetzt die gute Nachricht“, heißt das aktuelle Programm Masuths, das er am Freitagabend im bosco vorstellte. Die gute Nachricht als Programm, das ist eigentlich ein Anti-Kabarett. Denn lebt das Kabarett nicht davon, aus schlechten Nachrichten zwischen Politik und Gesellschaft satirisches Kapital zu schlagen? Das sei Old-School-Kabarett“, erklärt Masuth und fügt hinzu, dass er im Kollegenkreis deshalb wenigstens gescholten oder für verrückt erklärt, zum Teil sogar angefeindet werde. „In Deutschland wächst doch das Glücksgefühl eigentlich proportional zu den schlechten Nachrichten.“ Die deutsche Grundstimmung sei eher die eines dumpfen Moll. Um dies zu erläutern, setzt Masuth sich gleich ans Klavier und intoniert die Nationalhymne anders, eben in Moll. So klinge das gleich viel mehr nach deutscher Grundbefindlichkeit als das ursprünglich viel zu fröhliche Dur der Hymne.
Dabei gibt es gute Nachrichten ringsum in Hülle und Fülle. Beispielsweise die zu erwartenden Wachstumsraten der Heizpilzhersteller angesichts der auf den Winter verlegten WM 2022 in Katar. Oder die gute Nachricht der wunderbaren Anschlussverwertung überflüssig gewordener Politiker wie beispielsweise Dirk Niebel, der nun eine schöne Stelle in der Waffenindustrie gefunden habe. Oder die gute Nachricht, dass Deutschland wieder wachse. Nicht unbedingt aus eigener Reproduktion, aber eben doch durch Einwanderung. Zwar basiert diese für Deutschland erfreuliche Verjüngung auf der gegenwärtigen Jobkrise in Süd- und Südosteuropa. Aber wer will da so genau hinschauen, wenn eine lang ersehnte Welle an hochqualifiziertem und zu sehr günstigen Konditionen arbeitendem Fachkräftematerial auf den Markt schwemmt? Die gute Nachricht zählt.
„Bei mir lachen Sie anders“, verspricht Uli Masuth, „ohne Schadenfreude und – in Zeiten knapper Ressourcen ist das besonders wichtig – nachhaltiger. Sie lachen nachhaltiger.“ Das hat nicht bei allen geklappt, manchen blieb das Lachen im Hals stecken, bei anderen wollte es gar nicht erst den Bauchraum verlassen. Aber andere haben sich doch recht gut amüsiert. Wobei das mit der fehlenden Schadenfreude zu hinterfragen wäre, wenn allein die Nennung des Namens Alexander Dobrindt genügt, um ein solches Lachen zu provozieren. Oder wenn eine Anspielung auf körperliche Eigenschaften des Vizekanzlers Sigmar Gabriel in Bezug auf seine Wendefähigkeit hinsichtlich es umstrittenen TTIP-Abkommens die Basis eines Gags bietet, dann ist das nicht unbedingt ein Indiz für Verzicht auf Schadenfreude. A propos TTIP: dabei gehe es um das Grundrecht für Konzerne auf Rendite, erklärt Masuth und weist an dieser Stelle auf die im Foyer ausliegende Unterschriftenliste hin, auf die man sich selbst mit einem Glas Sekt in der Hand noch eintragen könne.
Vielleicht ist dies die gute Nachricht: Uli Masuth ist einer, dem es wirklich um etwas geht. Einer, der sich die Welt durchaus anders vorstellen kann, besser, gerechter, ohne eine immer weiter auseinanderklaffende Schere. Dieser Kabarettist hat eine klare Meinung, vertritt eine eindeutige politische Haltung, die sich um einiges weiter links befindet als die des Durchschnittskabarettbesuchers. Das ist auch in Ordnung so. Aber es ist auch nichts anderes als Old-School-Kabarett. Zwar kommt diese Meinung immer ein wenig beiläufig daher, charmant verpackt mit dem Lächeln des Lieblingsschwiegersohns, aber eben auch nicht anders moralisch predigend als der von ihm – und auch hier lacht man nicht ohne Schadenfreude – als Moralprediger und Märchenonkel ironisierte Bundespräsident. Ein Kabarett mit klarer Position ohne Absolutheitsanspruch auf die bessere Haltung – das wäre mal neu. Und eine wirklich gute Nachricht.