Viktoria Tolstoy (Gesang) und Jacob Karlzon (Klavier): Spannungsreiches Schweden-Duo
In diesem letzten von LOFTmusic – Manfred Frei und Irina Frühwirth – verantworteten Konzert des Jazzforums sollte es noch einmal recht kontrastreich zugehen. Gemeint ist hier weniger das Repertoire, das in den Eigeninterpretationen des Duos letztendlich weitgehend homogen ausfiel, ganz gleich welchem Genre die jeweiligen Stücke entsprungen waren. Es war vielmehr der Unterschied im musikalischen Charakter der zwei Schweden. Viktoria Tolstoy, die eigentlich Kjellberg heißt und Nachfahrin des russischen Schriftstellers Tolstoi ist, bekennt sich mit ihrer sentimentalen, bisweilen gar elegischen Singweise durchaus zur Tradition, in der sie verwurzelt ist. Als reines Naturtalent singt Tolstoy aus tiefster Seele, gänzlich dem Ausdruck im Text und in der Musik folgend, woraus sich in ihren Interpretationen geradezu automatisch eine rhapsodisch erzählende Dramaturgie ergibt, die den vielfältigen Facetten ihrer Stimme auch reichlich Auslauf bot. Ohne jedoch jemals das nordische Temperament zu leugnen.
Der Pianist Jacob Karlzon ist da weniger zart besaitet. Gewiss, er vermochte sich in einfühlsam-sentimentalen Balladen schon auf die soulige Lyrik Tolstoys einzulassen und seinen pianistischen Part dementsprechend weit zu reduzieren. So etwa in Phil Collins‘ „Taking it all too hard“ oder ebenfalls absolut konsequent in Pat Methenys „A moment of now“, dem Titelsong der neusten, gemeinsam aufgenommenen CD. Doch meistens durfte hier Karlzon auch seinen Vorlieben folgen, schon mal seiner Neigung zu Rock und Metal oder mit Virtuosität zum Hard Bop nachgeben. So entstanden bisweilen mithin extreme Gegensätze, die trotz langsamer Übergänge sich immer noch sehr eng gegenüber standen, ja geradezu auf Konfrontationskurs Programm waren. So etwa in „Women of Santiago“ von Esbjörn Svensson mit einem monoton gehämmerten Klaviersolo, aus dem sich eine gemeinsame Steigerung des Duos ins Wild-Entfesselte mit enormer Kraft entwickelte.
Eine gewisse Grundlage für den spröden Klavierstil lieferten möglicherweise die vielen Stücke von Herbie Hancock, die Tolstoy 2011 auf die Scheibe „Letters to Herbie“ ebenfalls mit Karlzon an den Tasten gebannt hatte und hier mit großer Energie aufgriff. Von Hancock dürften die bluesig groovenden Ostinato-Bassfiguren stammen, die Karlzon immer wieder in kompromissloser Härte unterlegte. So etwa in Hancocks „Trust me“, in dem sich Tolstoys melodisch mäandernde Stimme schwebend über die spröde Begleittextur legte. Oder auch ebenfalls aus Hancocks Feder „Butterfly“ mit einem ausgedehnten, scharf rhythmisierten Klaviersolo.
Manchmal baute Karlzon aus eigentümlich fragmentierter Rhythmik mit minimalistischen Figuren ein aufdringliches Pulsieren und Vibrieren auf, die sich in substanzvoller Intensivierung zu einem markanten, meist akkordischen Tremolo steigern konnten. So etwa in „Deep River“ von Bendik Hofseth, in dessen zunehmende Ballung auch Viktoria Tolstoy einstimmte, um gemeinsam das hymnische Finale zur orchestralen Größe anwachsen zu lassen.
Eines war hier jedenfalls klar: Es ging nicht etwa um begleiteten Gesang, als vielmehr um ein gleichgewichtetes Duo, das sich hier der Aufgabe hingab, eine warme, gefühlvolle Stimme mit einem nicht zimperlichen Klavierpart in Einklang zu bringen. Die Art, wie Tostoy und Karlzon dies zelebrierten, konnte kaum spannungsreicher sein. Letztendlich ging das Konzept erst mit er entfesselten Stimmakrobatik von Tolstoy im eher popmusikalischen „Red Rain“ von Peter Gabriel auf. Und so richtig einig waren sich beide Musiker erst im Schwedischen Volkslied der Zugabe.