Es gibt offenbar mehrere Varianten des Vladimir Kostadinovic Quartet, die je nach Konstellation in der Besetzung eine Namenserweiterung erfahren. In Gauting trug die Band den USA-Zusatz im Namen, wohl um die Herkunft des großartigen Tenorsaxophonisten Tivon Pennicott (Georgia) hervorzuheben. Der angekündigte Bassist Joe Sanders (Wisconsin) war hier nicht dabei; an seiner Stelle war der Serbe Milan Nikolić nach Gauting gekommen. Wie der hochdekorierte Schlagzeuger Kostadinovic hatten auch Nikolić sowie der Slowene am Flügel Marko Črnčec in Graz studiert, bevor sie in die New Yorker Jazzszene eingetaucht waren. Vielleicht rührt die Übereinstimmung im musikalischen Verständnis und im Zugriff von diesem gemeinsamen Werdegang ab. Doch erwies sich die Einigkeit – nicht zuletzt in einer spieltechnischen Perfektion im hochvirtuosen Spiel – nicht immer als günstig, verfielen die drei Musiker zunächst leicht in Einförmigkeit. Es dauerte denn auch im bosco schon eine Weile, bis sich das Publikum überzeugen ließ und emotional mitging.
Die Stilistik des Quartetts ist eher kraftvoll und mit satter Klangsubstanz charakterisiert. Die energische, fulminante Spielweise konnte allerdings schnell anstrengend werden, leicht auch ermüdend wirken. Die klassische Runde der Soli nach der Themenvorstellung meist in geeinten Kräften machte die Stücke nicht gerade abwechslungsreicher. Interessant wurde es, wenn Reibungen auftauchten. Und die konnten sehr unterschiedlich ausfallen. So etwa, wenn Pennicott seinen Saxophon-Part zurücknahm, die Band ins Pianissimo zwang, um auch einfühlsame, teils nur gehauchte Klänge einbringen zu können. Und das sollte nicht nur in den stimmungsvollen Balladen der Fall sein.
Im Grunde war erst in der zweiten Konzerthälfte der Bann gänzlich gebrochen, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Musiker nun anfingen, auch Reibungsflächen zu suchen und auch mal überraschende Wendungen herbeizuführen. Immer wieder setzte die Band nach einer furiosen Entwicklung bis hin zu ekstatischen Ausbrüchen in Bebop und Hard Bop zu einer Neuentwicklung an. Breaks verschafften Entspannung, bevor sich die Textur allmählich wieder verdichtete und die Substanz intensivierte. Imaginativer Duktus brachte zwar zaghaft, doch wirksam eine rhapsodisch-erzählende Charakteristik ins Spiel, die den Musikern viele Anhaltspunkte lieferte, aus der gewohnten Routine auszubrechen. Und es war erneut die Einfühlsamkeit Pennicotts, die hier mit experimentellen Passagen reizvolle Details aufdeckte und die nötige Atmosphäre schuf.
Kostadinovic, der seine Musikerlaufbahn als Akkordeonist in Jugendjahren seine ersten Unterrichtserfahrungen gemacht hatte, ist wohl schon über die populären Musikströmungen seiner Heimat dazu imstande, spielerisch und gänzlich frei mit Rhythmen umzugehen, sie immer wieder zu brechen und in einem Spannungsmoment den Faden wieder aufzugreifen. Manchmal rückte Kostadinovic schon mal von der rhythmisch begleitenden Rolle ab, um mit Ausdeutungen der thematischen Arbeit neue Bedingungen zu schaffen. Aber auch Črnčec ließ sich immer wieder auf Dialoge ein, wenn auch die Kommunikation in der Regel sehr schnell abbrach, um doch wieder mit einem hastenden Vorwärtsdrang Unmengen an Energie freizulegen. Der größte Reiz lag dennoch in der musikalischen Formung, die schon mal die starren Regeln verwarf und sich auf experimentelle Ansätze einließ. Mit leichter melodiöser Diktion ging so das Quartett in die ausgedehnte Zugabe, die erstmals swingend-vergnügt blühendes Kolorit hervorbrachte. Begeisterte Ovationen.
REINHARD PLAMER