Veranstaltungsinfo
Werner Koczwara: Einer flog übers Ordnungsamt
Was ist gut, was ist böse? Die Entscheidung ist schwerer, als man denkt. Denn wer seine Großmutter mit einem Gewehr aus 500 Meter Entfernung erlegt, der ist zwar ein guter Schütze aber kein guter Enkel. Gut jedenfalls ist, daß wir eine Justiz haben, die da weiter hilft. Mit einleuchtenden Urteilen wie jenes vom Sozialgericht Berlin: "Ein in die Außentür des Hauses eingeklemmtes Knie ist unfallversichert, weil es sich bereits auf dem Weg zur Arbeit befand.“ Deutsches Recht ist oft auch große Komik. Lachen wir also drüber. Werner Koczwaras neues Programm ist pointendicht und abgründig. Er taucht hinab in Rechtsphilosophie und wichtige gesellschaftliche Fragen: ab welchem Geburtstag gibt es keine ernst gemeinten Glückwunschschreiben mehr von der Rentenkasse? Wie kam es zu jenem Urteil des Bundesgerichtshofs, dass Frauen auf dem Beifahrersitz prinzipiell besser schweigen sollten? Und sind nackte Menschen in der Sauna ein Reisemangel? Das sind nur einige der Wanderbaustellen rund um den Justizstandort Deutschland, den Werner Koczwara in seinem neuen Programm "Einer flog übers Ordnungsamt" wieder einmal hochkomisch kommentiert. Freuen Sie sich auf einen Abend mit großem Humor, starken Pointen, kabarettistischem Tiefgang sowie einer Vielzahl an DIA-Schaubildern, die den Abend so richtig gemütlich machen.
NACH(T)KRITIK VON THOMAS LOCHTE:
Eisenbahnkreuzungsgesetz und Risikoaktivitätenverordnung
Als Werner Koczwara im Februar 2014 mit seinem Programm „Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt“ im Bosco gastierte, hatte uns der bekennende Schwabe davon überzeugt, dass die deutsche Rechtsprechung „am Zenit ihrer Leistungskraft angekommen“ sei – doch nun hat er das Gautinger Publikum nicht nur eines Besseren belehrt, Koczwara hat mit seiner neuesten Feldforschung „Einer flog übers Ordnungsamt“ auch noch den Beweis erbracht, dass das Virus sinnentleerter Formulierungen auch in ganz anderen Bereichen um sich greift. Und so handelt er ganz im Geiste seines verstorbenen Freundes und Kabarett-Kollegen Dieter Hildebrandt, wenn er sich dieses verunglückten Amtsdeutschs liebevoll sezierend annimmt: Da wären also noch weit jenseits des Strafgesetz-buches Sumpfblüten aufzuspüren wie das „Eisenbahnkreuzungsgesetz“, das in schönster Prosa regelt, wie das Aufeinandertreffen von Schiene und Straße auszusehen hat; oder auch der § 7 eines ungenannt bleiben wollenden Landesjagdgesetzes, welcher besagt: „In Räumen, die dem Aufenthalt von Menschen dienen, darf nicht gejagt werden.“ So was musste offenbar in Schriftform festgehalten werden, weil sonst ernsthafte Verstöße drohten.
Koczwara sucht sich aus den Absurditäten deutscher Regelwut seit Jahren die schönsten heraus und kredenzt sie einem Publikum, das sich ungläubig schlapp lacht. Ob es um die Possen des Reiserechts geht, um das Monstrum der „Risikoaktivitätenverordnung“ oder um ein vom Metzger fälschlicher Weise verkauftes Schnitzel, das – juristisch gesehen – eine „mangelhafte Leberwurst“ darstellt: Stets prallt Wirklichkeit auf Wirklichkeitsbeschreibungsversuch, mit ordentlich Blessuren auf beiden Seiten. Der Mann aus Schwäbisch Gmünd reibt sich an einer sprachlich oft kaum fassbaren Realität, er führt die gescheiterten Bemühungen, diese doch zu greifen, vor wie ein Biologie-Lehrer die Missbildung im Konservierungsalkohol. Bei Kocwara kam diesmal der Dia-Projektor samt Laserpointer zum Einsatz – Frontalunterricht also. Mit mal mildem, mal beißendem Spott kommentiert er dann das sprachliche Unglück, lobt aber auch die besonders gelungen formulierte Abweisungsbegründung eines Richters zu einer besonders dämlichen Klage auf Reisekostenminderung wegen „zu niedrigen Wassers bei Ebbe“. Beim diesjährigen Auftritt amüsierten sich vor allem die Koczwara-Novizen prächtig, und doch war die alten Koczwara-Hasen zu spüren, dass sein Acker bald abgegrast sein könnte: Der Meister des sprachlichen Fallobstaufklaubens (Koczwara schrieb u.a. schon für den „Scheibenwischer“ und die „Harald Schmidt Show“) weicht inzwischen gelegentlich in die inszenierende Nachbardisziplin des Witze-Erzählens aus – ein Zeichen des Verschnaufenmüssens, zumal die Stimmbänder diesmal leicht angeschlagen waren und während des laufenden Programms mit Schlucken von Kamillentee behandelt wurden. Nicht dass der Tee oder die Witze schlecht gewesen wären, sie schmeckten nur ein wenig zu stark nach „Männer am Tresen“ und verließen die lyrische Anmut deutscher Behördentexte doch ein ganzes Stück weit. Vielleicht liegt die Zukunft ja auch in der Geisteshaltung des Schwäbischen: Eine Kostprobe dieser Verniedlichungs-formen lieferte Koczwara schon jetzt ab. Schön sparsam natürlich, er wird sich fürs nächste Mal was aufgehoben haben.
Thomas Lochte, 13.12.2015