Nach(t)kritik
Auf den Punkt gebracht
Veranstaltung: Horszowski Trio: Smetana, Carter und SchostakowitschDas Epigramm ist eine schwierige Form. Kurz, in Versen und mit Bezug zu einem bestimmten Gegenstand, verlangt es nach souveräner Beherrschung der künstlerischen Mittel. Ein Epigramm zu schreiben, bedeutet, die Dinge auf den Punkt zu bringen. So gesehen ist das Spiel des New Yorker "Horszowski Trios" epigrammatisch: technisch makellos, überraschend, pointiert. Das gilt nicht nur für die ingeniösen Epigrams des US-Amerikaners Elliott Carter, die in der Mitte des Programms stehen.
Denn schon in Bedřich Smetanas g-Moll-Klaviertrio treffen Jesse Mills (Geige), Rieko Aizawa (Klavier) und Ole Akahoshi (Cello) den richtigen Ton für das dramatische Werk, das gemeinhin als Smetanas Auseinandersetzung mit dem Tod seiner Tochter gilt. Doch dieses breit akzeptierte Deutungsmuster ist auch eine schwere Hypothek für das Werk. Oft leidet es unter emotionaler Überfrachtung. Davon ist hier keine Spur zu hören, denn das Horszowski Trio spielt geradeaus, ohne romantische Schnörkel, dafür mit wohldosierten Freiheiten, die dadurch umso bewegender wirken. Das gilt etwa, wenn Ole Akahoshi das Seitenthema des ersten Satzes mit geradezu kindlicher Einfachheit intoniert, um die Phrase dann geschmackvoll minimal retardierend abzuschließen. Diese diskreten Freiheiten im Tempo und die ausdifferenzierte Mikro-Dynamik auch im virtuosen Finale geben dem Stück eine Tiefendimension, die man nicht alle Tage hört.
Vielleicht kommt ein Teil der musikalischen Spannung auch, weil diese drei hochdekorierten Musiker auf ihre Weise vollendete Künstler sind, sich aber deutlich voneinander unterscheiden. Mills ist, bei aller Zurückhaltung nach Außen, der klanglich extrovertierteste, mit heftigem Vibrato und großem Ton; Aizawas Anschlagskultur ist weich und dennoch in den entscheidenden Momenten bestimmt; Akahoshis Cello-Spiel orientiert sich an den Idealen seines Lehrers Pierre Fournier, von ihm hat er die klare Eleganz geerbt. All das schießt auf schlicht grandiose Weise zusammen, in der großen wie in der kleinen Form. So auch in der Auswahl aus Carters Epigrammen, dem letzten Werk, das der amerikanische Komponist vor seinem Tod 2012 vollenden konnte. Lichte Miniaturen sind es, die das Trio mal melancholisch, mal mit hintergründigem Humor interpretiert.
Es ist ein anderer Humor, der auch in Dmitri Schostakowitschs zweitem Klaviertrio hörbar ist. In dem 1944 entstandenen Werk blitzt vor allem im Scherzo-Satz, vom Horszowski Trio mit atemraubendem Tempo aufgespielt, grimmige Komik auf. Dominant sind jedoch andere Affekte in diesem Werk, das wie das Smetana-Trio einen Todesfall zum Anlass hat, in diesem Fall den des Schostakowitsch-Freundes Iwan Sollertinski. Wut und Schmerz angesichts dieses Verlusts und des unbarmherzig fortschreitenden Krieges prägen das Werk, worauf Jesse Mills mit Bezug zur Gegenwart hinweist. Das Trio lehnt sich mit vollem Gewicht in die Dissonanzen, verliert dabei aber nie die kühle Übersicht, die es braucht, um sich in den Polyphonien und ineinander verschränkten Rhythmen nicht zu verlieren. Die Unerbittlichkeit der Geschichte übersetzen die drei Musiker in strenge musikalische Bewegungen. Das Finale, berühmt für seine an jüdische Volksweisen erinnernden Melodien, nehmen sie bewusst langsamer als die meisten anderen Interpreten. Aus dem taumelnden Tanz über dem Abgrund wird so ein intensiver Danse macabre in Zeitlupe, der sich nach und nach in Ausdrucks-Höhen schraubt.
Dafür gibt es zurecht lauten Beifall, für den sich das Trio mit dem langsamen Satz aus Felix Mendelssohn Bartholdys Klaviertrio in d-Moll bedankt, einer traumhaft lyrischen Meditation, für die (wie für alle anderen Werke des Abends) gilt: Dieses Trio trifft den Kern der Sache, egal was es in die Finger bekommt.
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