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Nach(t)kritik

So, 11.12.2022
20.00 Uhr

Bach(iana) mit Saxophonen

Veranstaltung: Signum Saxophone Quartet & Tanja Tetzlaff, Violoncello: Bach, Ginastera, Villa-Lobos und Piazzolla

Gerade erst gab es im Bosco Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“ für Streichquartett mit dem großartigen Cuarteto Casals. Das war freilich keine Bearbeitung, sondern gleichsam eine mögliche Realisierung des vierstimmigen Satzes. Wenn jetzt aber die vier jungen Männer des Signum Saxophon Quartet die Orchestersuite Nr. 1 C-Dur in Auszügen und später – zusammen mit CellistinTanja Tetzlaff – das dritte Brandenburgische Konzert in G-Dur spielen, dann sind das veritable Bearbeitungen (des Ensembles selbst). Aber solche, wie sie schöner nicht sein könnten, denn das Original leuchtet hell und fast pur, wenn auch in ganz anderen als den ursprünglichen Farben.

Beim wunderbar differenzierten Spiel von Blaž Kemperle (Sopransaxophon), Jacopo Taddei (Altsaxophon), Alan Lužar (Tenorsaxophon) und Guerino Bellarosa (Baritonsaxophon) erklingt die Polyphonie Bachs geradezu in Reinkultur und eigentlich gar nicht „modern“. Denn die vier nicht nur was den Tonumfang angeht so unterschiedlich und  doch homogen im Zusammenspiel klingenden Instrumente haben fast etwas von der Eleganz eines (Streich-)Quartetts, nur eben geblasen: Manchmal tönt das Sopransaxophon fast wie eine Oboe und das Baritonsaxophon hat gelegentlich etwas von einer Posaune.

Wenn dann inmitten der vier stehenden Männer in Schwarz plötzlich eine Frau im farbigen Kleid am Cello sitzt, macht das schon optisch einen gewaltigen Unterschied, aber vor allem ist es musikalisch reizvoll. Im dritten Brandenburgischen Konzert mischt sich das tiefe Streichinstrument immer wieder wunderbar ein, übernimmt mit den Bläsern oft eine der Mittelstimmen, mal auch den Diskant  und gelegentlich sogar den Bass; und dies manchmal ganz plötzlich wechselnd. Das im Original nur wenige Sekunden dauernde Adagio mit ein paar überleitenden Akkorden spielt Tetzlaff als feine Arabeske vor dem quirligen Finale der Fünf.

So hätte es gerne noch weitergehen können, aber nach der Pause führt die Reise ins 20. Jahrhundert  und nach Südamerika, genauer gesagt nach Argentinien und Brasilien! Drei Argentinische Tänze op. 2 des gerade mal 21-jährigen Alberto Ginastera, der noch studierte, machen den launigen Beginn mit „Danzas“, die kernig und sehr beredt einem „alten Rinderhirten“ wie einem „ungehobelten Hirten“ gewidmet sind. Dabei erzählen sie ebenso lust- wie humorvoll schlicht von männlicher Vitalität, während die „Danza de la moza donosa“, also „Der Tanz der schönen Jungfrau“ im Zentrum melodisch fließender und dabei schlicht bezaubernd klingt. Das trifft auch auf die berühmte Nr. 5 aus Heitor Villa-lobos „Bachianas Brasilieras“ zu, bei der das Cello nun ganz wunderbar als (Mezzo-)Sopran singen darf. Und die vier Männer umschmeicheln sie in den vielen kontrastierenden Teilen mit den schönsten und differenziertesten Tönen wie im Original acht Celli.

Als krönender Abschluss folgte „Le Grand Tango“ von Astor Piazzolla. Ursprünglich 1982 für Cello und Klavier komponiert, reist dieses dreiteilige Stück seither in vielen Versionen um die Welt. Die Fassung mit vier Saxophonen von Miha Ferk dürfte den Geist des Werkes, das den Tango nuevo vielfältig feiert, mit Abstand am besten treffen. Wenn dann noch vier Meister ihres Instruments auf eine Meisterin wie Tanja Tetzlaff treffen, die im ersten Teil schon solistisch mit Bachs Solo-Cello-Suite Nr. 3 brillierte, dann bleiben keine Wünsche offen. Außer dem vielleicht, dass das Konzert gerne noch eine weitere Stunde hätte dauern dürfen. Tosender Applaus im fast ausverkauften Saal!

 

Klaus Kalchschmid, 12.12.2022


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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So, 11.12.2022 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.