Nach(t)kritik
Bananen für den Heimweg
Veranstaltung: Franziska Wanninger: Für mich soll's rote Rosen hageln (Ersatztermin)„Du schaffst das nicht“, hat Franziska Wanninger schon in frühester Jugend immer wieder zu hören bekommen - sei es beim Kinderfasching, bei der Bewerbung um ein USA-Stipendium oder hinsichtlich der Handhabung einer Fahrzeug-Software. Weil aber die im Landkreis Altötting aufgewachsene und mit einer optimalen Schutzschicht ausgestattete Künstlerin einen Satz wie diesen eher als Ansporn begreift, fährt sie jetzt einen vollautomatischen Mercedes mit Sprachsteuerung, hat in den USA am Lee Strasberg Seminar Schauspiel studiert und verdient ihren Lebensunterhalt als Kabarettistin. „Für mich soll´s rote Rosen hageln“, lautet der Titel ihres aktuellen Programms, mit dem sie jetzt im bosco gastierte.
Darin geht es um die vielen Dinge, die den Alltag prägen: der Freundeskreis und dessen Fallen, Influencerinnen und Gartenzäune, Ausreden, Ausrutscher, Auszeiten wie Corona. So haben, erzählt Franziska Wanninger, die Lockdowns ja das Pflegen von Freundschaften in Form von Treffen gefördert, zuweilen so sehr, dass man die Freundinnen und Freunde gar nicht mehr los wurde und auf unmissverständliche Zeichen für einen gewünschten Aufbruch zurückgreifen musst. Ein deutlich auf dem ´Tisch platziertes Obststück sei laut Ratgebern ein solches Zeichen: „Hier, eine Banane für deinen Heimweg.“
Andere wiederum haben die Zeit daheim genutzt, sich beruflich neu aufzustellen und aus dem eigenen Wohnzimmer heraus per Social Media Beauty-Tipps zu geben. Eine Freundin, erzählt Franziska Wanninger, sei so eine Influencerin geworden. Mit zwei Silberlöffeln bewaffnet, wird Wanninger zu dieser Freundin und demonstriert, wie man mit diesen Magic Spoons die Spuren langer Nächte aus dem Gesicht zaubern kann. Influencer wären heute praktisch überall zu finden, sagt sie in breitestem Dialekt und fügt hinzu: „In Niederbayern is des a Krankheit.“
Der Charakter dieses Soloprogramms ist der des Wirtshausgesprächs. Franziska Wanninger bestreitet den Abend nahezu auschließlich erzählend, ratschend aus der Bühnenmitte heraus, zwischen einem Tisch mit dem obligatorischen Wasserglas darauf und einem Pult, auf dem ein pinkfarbener Mini-Flügel steht. Minimal wie das Instrument waren die musikalischen Einlagen: gerade mal drei Songs baute die Kabarettistin in ihr Programm ein. Dabei wurde auf einmal eine ganz andere Künstlerin sicht- bzw. hörbar. Denn Franziska Wanninger verfügt über eine großartige Gesangsstimme und ließ ihre Lieder zu Chansons wachsen, von denen man gerne mehr gehört hätte. Denn diese Frau besitzt eine hohe Präsenz, die gerade im Gesang noch einmal eine andere Farbe, ja: Stärke entfaltet.
Nun ist es in diesen Zeiten allerdings nicht immer einfach, ein (immer noch reduziertes) Publikum allein durch erzählte Anekdoten zu gewinnen - der nur auf Touren und in der gelingenden Interaktion entstehende Flow fehlt, die Wirtshausatmosphäre kommt nicht recht auf. Und wenn dann noch die üblicherweise gleich zu Beginn in der ersten Reihe erkorene Bezugsperson in der Pause geht, ist ein Dialog mit den Zuschauerinnen und Zuschauern nicht mehr so einfach. Obwohl: für Franziska Wanninger ist das ja eher ein Ansporn. So nimmt sie das nonverbale „Du schaffst das nicht“ als Booster für den zweiten Teil und läuft doch noch zu Höchstform auf. Das Publikum dankt es ihr mit lang anhaltendem Beifall. Vielleicht hätte sie ihrerseits vor der Pause von der Bühne herab ihr Publikum mit dem ihr doch so vertrauten Satz anspornen sollen.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.