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Nach(t)kritik

Fr, 03.02.2017
20.00 Uhr

Benedikt Jahnel Trio: Inspirierte Poesie

Veranstaltung: Benedikt Jahnel Trio: Release-Konzert "The Invariant"
Zweifelsohne: Benedikt Jahnel und sein Trio haben in Gauting mittlerweile eine treue Fangemeinde, sonst hätte sich der Saal zum Nicht-Abokonzert kaum so gut gefüllt. Die sinnenfreudige und klangorientierte Spielweise des zehn Jahre alt gewordenen Trios vergisst man auch nicht so leicht. Die Musik schmeichelt sich geradezu ins Ohr, und dies auf eine überaus vielfältige Weise, angereichert mit überraschenden Wendungen der unterschiedlichsten Art. Das ist sozusagen das Markenzeichen des Ensembles, das von Anfang an auf diese sehr ansprechenden Qualitäten baute. Die Frage, die sich hier nun zur Präsentation der am Freitag des 13. Januar neu erschienen CD „The Invariant“ im bosco stellte, war in etwa so zu formulieren: Wie bleibt sich das Trio treu, ohne sich zu wiederholen und ohne die eigene Stilistik bis zur Erschöpfung weiterzuführen?
Die Antwort darauf hat die neue Scheibe zweifelsohne parat und überrascht weniger mit einem neuen musikalischen Gewand der drei Instrumentalisten, als vielmehr mit der Tatsache, dass die Erneuerung von innen heraus gelungen ist. Das gesteigerte Sich-als-Ensemble-Empfinden der Musiker trug dazu jedenfalls wesentlich bei. Tatsächlich ging es hier weniger um eine homogene Spielweise und Klanglichkeit, sondern vielmehr um ein Austarieren vielfältiger Klangkombinationen und musikalischer Charaktere aus dem Zusammenspiel heraus.
Jahnel am Flügel, der Kanadier Owen Howard am Schlagzeug sowie der Spanier Antonio Miguel am Kontrabass sind drei überragende Virtuosen, die ebenso mit ihren packenden solistischen Einlagen absolut überzeugten. Doch auch in den Soli wurde selten jemand alleingelassen. Zwar nahmen sich die Mitspieler zurück, doch der Zusammenhalt blieb bestehen, ruhte praktisch in Standby mit wenigen, aber dann doch nicht vernachlässigbaren Impulsen.
Man könnte die Spielweise der Musiker im Einzelnen aufführen und mit vielen blumigen Formulierungen in Worte übersetzen. Doch das würde wohl kaum der Ensemble-Leistung näher kommen. Das Trio ist ein lebendiger, lustvoll agierender Organismus, der zuckt, vibriert, swingt, groovt, unentwegt die Form verändert, sich auf gemeinsame Schwingungen einschwört, um gleich wieder mit Rhythmusbrechungen und inhaltlicher Auflösung den Zusammenhalt außer Kraft zu setzen. Dieses Aufbrechen ist aber sogleich auch wieder der Weg zu einem neuen, eben nur anders gearteten Zusammenhang. Das konnte schleichend passieren, um einen rhapsodischen Charakter zu erhalten. Manchmal vollzog sie der Wandel aber auch schnell, plötzlich, in gewisser Weise explosiv, als wollten sich die Musiker selbst überrumpeln und überraschen.
Die Mittel, auf die das Trio zurückgriff, waren bisweilen erstaunlich schlicht in Anbetracht der enormen Wirkung. Manchmal genügte ein Tremolo rasant hintereinander wiederholter Akkorde am Flügel, um mit der Zeit einen eigentümlich schwebenden Charakter zu erhalten. Ähnliche Langzeitwirkungen erzielten auch langsam wiederholte, holprig rhythmisierte Fragmentierungen. Nicht selten waren sie lediglich als Überleitungen vorgesehen, die als Kontrastmittel ihre Aufgabe voll und ganz erfüllten.
Die Musik des Benedikt Jahnel Trios blieb sich in einem Punkt absolut treu: In der Poesie voller Inspiration und weitschweifender Höhenflüge. Und die ist umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass Jahnel promovierter Mathematiker ist. Damit erklärt sich der Titel der neuen CD, den Jahnel selbst in einem Interview des Deutschlandradios Kultur darbot: „The Invariant – das ist also die Invariante, das ist was, was mir in meiner Arbeit als Mathematiker oft über den Weg läuft. Das sind irgendwelche Größen, die unter einer Transformation unverändert bleiben.“ Sein Einsatzgebiet in Sachen interagierender Teilchensysteme und mobiler Netzwerke deckt sich zur Gänze mit seiner musikalischen Idee des dynamischen Ensembles. Diese Rechnung ging jedenfalls auf: frenetische Ovationen.
Reinhard Palmer, 04.02.2017


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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