Nach(t)kritik
Beseelte Ausdruckskraft
Veranstaltung: Michail Lifits, Klavier: Schubert und SchostakowitschDie Zugabe mit Chopins Nocturne cis-Moll op. posth. BI 49 war schon sorgfältig gewählt. Mal abgesehen davon, dass dieses Stück zweifelsohne den perfekten Abschluss abgab, ohne die Erinnerung an das zuvor Gehörte zu überdecken, verwies es zudem noch auf den Bezug der Präludien op. 34 von Schostakowitsch. Der damals 27jährige Russe hat nicht nur die Anordnung der Präludien nach dem Quintenzirkel und jeweils gefolgt von den mollparallelen Tonarten von Chopin übernommen, sondern sich auch musikalisch an den fast 100 Jahre zuvor entstandenen Préludes des Romantikers orientiert. Trotz der tonartfremden Harmonien und atonalen Skalen schaffte es Schostakowitsch, in seinen 24 Miniaturen eine geistige Verwandtschaft zu Chopin aufzubauen. Maichail Lifits fand dazu eine großartige Balance zwischen Schostakowitschs ureigener Stilistik und Chopins seelentiefer Schönharmonik sowie lyrisch ausgesungenen Themen und Melodien.
Zwischen den Ausprägungen sinnierender Lyrik über groteske Humoristik bis hin zu bravourös-brillanter Virtuosität breitete der Usbeke dabei eine Vielfalt an Schattierungen, Charakteren, anschlagstechnischen Nuancen wie Klangfarben aus, wie sie bei Schostakowitsch in der gegebenen Einfühlsamkeit selten zu hören ist. Gerade die anschlagstechnische Perfektion und vor allem darin eine üppige Differenzierung macht die hohe Qualität der Interpretationen Lifits‘ aus. Seine Pedalarbeit ist dabei präzis und mit viel Fußspitzengefühl austariert, sodass die pianistischen Eigenschaften in klarer und transparenter Weise ihre Wirkung zeigen konnten. Und das galt auch schon für die Sonate B-Dur D 960 von Schubert gleichermaßen, die Lifits vom Hammerflügel her gedacht weit zurücknahm. Hier fokussierte der besonnene Pianist die geistigen, ja philosophischen Werte, die in dieser letzten Sonate des Komponisten, ja in seinem musikalischen Vermächtnis an die Nachwelt auch eine zentrale Rolle spielen.
Als Schubert die ersten Skizzen notierte, war der Tod noch ein allgemeingültiges Thema. Als er die Sonate vollendete, hatte es sich zur persönlichen Betroffenheit konkretisiert. Die rhetorisch reichhaltige Diktion der Präludien von Schostakowitsch, die diese Aphorismen so eindringlich und ausdrucksstark macht, hatte bei Schubert bisweilen etwas Legendenhaft-Elegisches an sich. Mit perlender Pianistik wie auch formvollendetem Legato-Gesang verwandelte Lifits die Sonate mit leisen Tönen in eine Perle der Klavierliteratur. Umso wirkungsvoller zeigten sich die wenigen Intensivierungen im Ausdruck und Verdichtungen der fülligen Substanz, in denen Lifits schon mächtig in die Tasten greifen konnte, allerdings ohne dabei jemals ins Banale abzugleiten.
Zum Programmfinale vermochte Lifits daran mit Schostakowitschs letzten Werkpaar aus den Präludien und Fugen op. 87 anzuknüpfen, um einen eindrucksvollen Schlusspunkt zu setzen. Am Ende der stalinistischen Ära in der Sowjetunion hatte Schostakowitsch längst zu einer Tonsprache gefunden, in der der geschickte Komponist seine persönliche künstlerische Ausdrucksweise mit den Vorgaben der Zensurbehörden zumindest vordergründig in Einklang vorgab. Seine ursprünglich urwüchsige Kraft zeigte sich indes in der geistigen Ausdehnung, die Lifits im Hintergrund selbst in den ausgedehnten sinnierenden Passagen deutlich spüren ließ. Eine mächtige Spannung baute sich da hinter den leisen, bisweilen fast mystischen Tönen auf, um immer wieder aus der trotz weiter Zurücknahme sonorer Substanz aufzubrodeln. Die finale und erlösende Eruption hatte es denn auch in sich, als Lifits nun die orchestrale Kraft seiner Hände offenbarte. Nach dieser Flutwelle waren ihm frenetische Ovationen sicher.
Zwischen den Ausprägungen sinnierender Lyrik über groteske Humoristik bis hin zu bravourös-brillanter Virtuosität breitete der Usbeke dabei eine Vielfalt an Schattierungen, Charakteren, anschlagstechnischen Nuancen wie Klangfarben aus, wie sie bei Schostakowitsch in der gegebenen Einfühlsamkeit selten zu hören ist. Gerade die anschlagstechnische Perfektion und vor allem darin eine üppige Differenzierung macht die hohe Qualität der Interpretationen Lifits‘ aus. Seine Pedalarbeit ist dabei präzis und mit viel Fußspitzengefühl austariert, sodass die pianistischen Eigenschaften in klarer und transparenter Weise ihre Wirkung zeigen konnten. Und das galt auch schon für die Sonate B-Dur D 960 von Schubert gleichermaßen, die Lifits vom Hammerflügel her gedacht weit zurücknahm. Hier fokussierte der besonnene Pianist die geistigen, ja philosophischen Werte, die in dieser letzten Sonate des Komponisten, ja in seinem musikalischen Vermächtnis an die Nachwelt auch eine zentrale Rolle spielen.
Als Schubert die ersten Skizzen notierte, war der Tod noch ein allgemeingültiges Thema. Als er die Sonate vollendete, hatte es sich zur persönlichen Betroffenheit konkretisiert. Die rhetorisch reichhaltige Diktion der Präludien von Schostakowitsch, die diese Aphorismen so eindringlich und ausdrucksstark macht, hatte bei Schubert bisweilen etwas Legendenhaft-Elegisches an sich. Mit perlender Pianistik wie auch formvollendetem Legato-Gesang verwandelte Lifits die Sonate mit leisen Tönen in eine Perle der Klavierliteratur. Umso wirkungsvoller zeigten sich die wenigen Intensivierungen im Ausdruck und Verdichtungen der fülligen Substanz, in denen Lifits schon mächtig in die Tasten greifen konnte, allerdings ohne dabei jemals ins Banale abzugleiten.
Zum Programmfinale vermochte Lifits daran mit Schostakowitschs letzten Werkpaar aus den Präludien und Fugen op. 87 anzuknüpfen, um einen eindrucksvollen Schlusspunkt zu setzen. Am Ende der stalinistischen Ära in der Sowjetunion hatte Schostakowitsch längst zu einer Tonsprache gefunden, in der der geschickte Komponist seine persönliche künstlerische Ausdrucksweise mit den Vorgaben der Zensurbehörden zumindest vordergründig in Einklang vorgab. Seine ursprünglich urwüchsige Kraft zeigte sich indes in der geistigen Ausdehnung, die Lifits im Hintergrund selbst in den ausgedehnten sinnierenden Passagen deutlich spüren ließ. Eine mächtige Spannung baute sich da hinter den leisen, bisweilen fast mystischen Tönen auf, um immer wieder aus der trotz weiter Zurücknahme sonorer Substanz aufzubrodeln. Die finale und erlösende Eruption hatte es denn auch in sich, als Lifits nun die orchestrale Kraft seiner Hände offenbarte. Nach dieser Flutwelle waren ihm frenetische Ovationen sicher.
Reinhard Palmer, 10.05.2019
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.