Nach(t)kritik
Der Gedanke kommt aus dem Wald
Veranstaltung: Faltsch Wagoni: Ladies First - Männer FörsterEs gibt offenbar doch einen Rohstoff, der zugleich erneuerbar und unerschöpflich ist: Das stets zu justierende Verhältnis zwischen den Geschlechtern dient dem Duo „Faltsch Wagoni“ seit mittlerweile 33 Jahren als fruchtbarer Acker, privat wie auf der Bühne. Schon mit dem Titel ihres neuen Programms weisen Silvana und Thomas Prosperi sanft darauf hin, dass das Gerangel um die Pole Position im Beziehungszweisitzer munter weiter geht. Bei Faltsch Wagoni ist es freilich eher ein Geplänkel mit geschliffenen Worten, kunstvolles Florett statt rechthaberischer Säbel: Die beiden Wahl-Herrschinger mit Stuttgarter Wurzeln haben vermutlich auch aus den Erfahrungen ihrer langen Partnerschaft geschöpft, als sie so lebenskluge Erkenntnisse formulierten wie: „Paare sind, von außen betrachtet, eine Art terroristischer Vereinigung.“ Im Binnenleben einer solchen Zweckgemeinschaft geht es offenbar kaum weniger kriegerisch zu. Sagt sie im chicen Rosen-Kleid: „Eine Lady ist die personifizierte Aufforderung an den Mann, sich zivilisiert zu benehmen!“, entgegnet er, ins grüne Leibchen des Oberförsters gewandet: „Dies ist eine Metapher, sich die Erde untertan zu machen!“ Das Ping und Pong dieser dialogischen Beziehung funktioniert auf denkbar hohem sprachlichem Niveau und wird immer wieder aufgelockert durch das Ich-und-Du in den Liedern: Silvana hat eine sehr gute Stimme, sie spielt Percussion und imitiert ohne Instrument eine „Maultrommel“ oder eine schallgedämpfte Trompete - notfalls ist sie auch für die Waldgeräusche zuständig, damit sich der „Oberförster“ in seinem Element fühlt und behaupten darf: „Der Gedanke kommt aus dem Wald!“; Thomas zupft dazu die Gitarre und gibt den Part des zu einiger Intelligenz gelangten Primaten – Männer: vorerst Förster.
Im Vergleich zum Vorgänger-Programm „Deutsch ist Dada hoch drei“ (2014 auch im Bosco zu erleben) setzen die beiden Feld- (und Wald-)forscher nicht ganz so auf die sprachliche Zuspitzung, dafür mehr aufs Musikalische. Die Reibung Weiblich/Männlich gibt es auch weiterhin, und schöne Aphorismen selbstverständlich auch: „Komplimente sind die Tomaten im Beziehungssalat“, säuselt Silvana, und Thomas ergänzt in aller ernüchternder Mannestapsigkeit: „Und das Hauen und Stechen sind die Zwiebeln!“ Um noch etwas im Salat zu bleiben: Für ihn ist das Weibliche nicht nur Balsam, sondern „reines Balsamico“ - schöner kann man es kaum ausdrücken. Die jeweilige Ich-Bezogenheit bei Frauen und Männern wird ebenfalls wunderbar herausgearbeitet – sagt sie, er sei „der Mann meines Lebens“, sagt er prompt, er sei auch „der Mann meines Lebens“. Touché! In ein Lied verpackt dann wieder die Weisheit „Liebe kann man üben“, entlehnt dem alten Arbeiterschlachtruf „Vorwärts und nicht vergessen...“ Gut beobachtet ist übrigens auch die Feststellung des Mannes: „Ich koche nicht, weil du immer kochst“. Hier wird aus dem Vortritt einräumenden „Ladies First“ eine Pose der Bequemlichkeit, bis frau ihn an die Steinzeit erinnert und verlangt: „Förster in spé - Brennholz und Reh!“ Der Steinzeit-Macho aber hat hinzugelernt und schwingt heutzutage ganz andere Keulen bzw. zückt das erwähnte Florett: „Der emanzipierte Mann hält nichts von der patriarchalischen Rolle des Mannes!“
Das letzte Wort aber hat eigentlich doch wieder sie: „Zu viel Verständnis macht aus Kindern und Männern Monster.“ Da war er wieder, der kleine Erziehungsratgeber, den Frauen ja stets bei sich tragen. Punktsieg für Silvana, aber ein Trostpreis für Thomas, der sich die Rest-Würde des Oberförsters bis zur zweiten Zugabe bewahrte. Thomas Lochte
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.