Nach(t)kritik
Der leise Flug der Schneeflocken
Veranstaltung: Margrit Gysin und Irene Beeli: AugusteErst kam die Unterdecke auf den Tisch. Dann folgte die mit den Stickereien, die, an deren Faltkante schon winzige Tiere genagt haben müssen, so löcherig war sie dort. Auf die bestickte Decke wurde die Oberdecke gelegt, die dunkelblaue. Und ehe Marie und Theres, die beiden einstigen Dienstmädchen im Hause des Kammersängers Löwenhaupt und seiner Familie, die beide zusammen die Marie-Theres sind und zusammen 125 Jahre alt sind – ehe die Marie-Theres also die schöne Weihnachtsdecke auflegt, erinnert sie sich an die Geschichte, als der Herr Löwenhaupt sich einmal an Weihnachten einen Wunsch erfüllen wollte.
„Weißt du noch?“ sagt die Theres und nimmt ein Stück Kreide, „da wollte er zu den Bauern aufs Land und eine Gans kaufen.“ Sie zeichnet den Weg auf die blaue Tischdecke, den der Herr Löwenhaupt ging: erst die vielen Stufen im Mietshaus hinunter auf die Straße, dann um die Ecke und noch um eine Ecke und ein langes Stück Weg, bis es in Serpentinen den Weg hinauf ging zu den Bauersleuten, wo die Gänse schon schnatternd im Hof herumliefen. Und auf einmal sind alle mitten in der Geschichte: der Herr Löwenhaupt und die Gänse sowieso, aber auch das Puppenspielerinnenpaar Marie-Theres und alle Zuschauer, klein wie groß. Alle sind sie da auf dem Hof, bei den Gänsen, und später in der Wohnung der Löwenhaupts, wo die drei Kinder durchsetzen, dass die Gans zum Spielkameraden wird und nicht zum Weihnachtsbraten. Auguste, so nennen sie ihre Familiengans.
„Die Weihnachtsgans Auguste“ ist eine alte Geschichte von Friedrich Wolf. Margrit Gysin und Irene Beeli, die beiden Schweizer Figurentheaterfrauen, haben diese Geschichte inhaliert und sich zu eigen gemacht: sie ist zu ihrer Geschichte geworden. In dem Moment, wo sie die Dienstmagdschürzen anziehen, die Arbeitsschürze zuerst und darüber dann die weiße gestärkte Festtagsschürze, haben sie sich „Die Weihnachtsgans Auguste“ angezogen. Und Schicht um Schicht, Decke um Decke tauchen sie in das Geschehen im Hause Löwenhaupt ein. Figurentheater und Schauspiel, Erzählung und Dialog greifen ineinander und verweben sich zu einem Netz, das alle trägt, Spielerinnen wie Publikum.
Es liegt ein besonderer Zauber über dieser Kindertheater-Vorstellung. Ein Zauber wie die in die Luft geworfenen Schneeflocken, an die später die wirbelnden Daunenfedern der armen gerupften Gans erinnern. Der Zauber des Kammertons, den die beiden Spielerinnen durchweg sprechen und der Kinder aus der lärmenden Gegenwart hinein ins Phantasiereich Theater holt. Es gibt nicht viele Oasen in dieser Gegenwart – Margrit Gysin und ihr Theater sind eine. Einen besseren Weg hinein in die Weihnachtszeit kann es nicht geben.
„Weißt du noch?“ sagt die Theres und nimmt ein Stück Kreide, „da wollte er zu den Bauern aufs Land und eine Gans kaufen.“ Sie zeichnet den Weg auf die blaue Tischdecke, den der Herr Löwenhaupt ging: erst die vielen Stufen im Mietshaus hinunter auf die Straße, dann um die Ecke und noch um eine Ecke und ein langes Stück Weg, bis es in Serpentinen den Weg hinauf ging zu den Bauersleuten, wo die Gänse schon schnatternd im Hof herumliefen. Und auf einmal sind alle mitten in der Geschichte: der Herr Löwenhaupt und die Gänse sowieso, aber auch das Puppenspielerinnenpaar Marie-Theres und alle Zuschauer, klein wie groß. Alle sind sie da auf dem Hof, bei den Gänsen, und später in der Wohnung der Löwenhaupts, wo die drei Kinder durchsetzen, dass die Gans zum Spielkameraden wird und nicht zum Weihnachtsbraten. Auguste, so nennen sie ihre Familiengans.
„Die Weihnachtsgans Auguste“ ist eine alte Geschichte von Friedrich Wolf. Margrit Gysin und Irene Beeli, die beiden Schweizer Figurentheaterfrauen, haben diese Geschichte inhaliert und sich zu eigen gemacht: sie ist zu ihrer Geschichte geworden. In dem Moment, wo sie die Dienstmagdschürzen anziehen, die Arbeitsschürze zuerst und darüber dann die weiße gestärkte Festtagsschürze, haben sie sich „Die Weihnachtsgans Auguste“ angezogen. Und Schicht um Schicht, Decke um Decke tauchen sie in das Geschehen im Hause Löwenhaupt ein. Figurentheater und Schauspiel, Erzählung und Dialog greifen ineinander und verweben sich zu einem Netz, das alle trägt, Spielerinnen wie Publikum.
Es liegt ein besonderer Zauber über dieser Kindertheater-Vorstellung. Ein Zauber wie die in die Luft geworfenen Schneeflocken, an die später die wirbelnden Daunenfedern der armen gerupften Gans erinnern. Der Zauber des Kammertons, den die beiden Spielerinnen durchweg sprechen und der Kinder aus der lärmenden Gegenwart hinein ins Phantasiereich Theater holt. Es gibt nicht viele Oasen in dieser Gegenwart – Margrit Gysin und ihr Theater sind eine. Einen besseren Weg hinein in die Weihnachtszeit kann es nicht geben.
Sabine Zaplin, 13.12.2015
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.