Nach(t)kritik
„Die Katze, die tut, was sie will“
Veranstaltung: Lutz Großmann: „Die Katze, die tut, was sie will“ von Horst HawemannLutz Grossmann, Puppenspieler und Schauspieler aus dem Bergischen, hat am Samstag Nachmittag die wildeste Wildnis – auch Dschungel genannt – ins bosco katapultiert. Auf einer großen Trommel, die zur Bühne wird, erscheinen die Bewohner der Wildnis und bezeugen durch einen Trommelwirbel ihre Ungezähmtheit: die Katze, die tut, was sie will, die Ich-glaube-Kuh, der Sicher-Hund und das Vielleicht-Pferd. Sie sind noch zu wild und entgrenzt, um genau zu wissen, wer sie sind. Einzig der Tiger, der sich Krieger und Sieger nennt, weiß, wer er ist. Er beherrscht in seinen Augen den Dschungel, jagt allen Angst ein und ist mit dem Erzähler der Geschichte uneins. So versucht er den Erzähler und die Figuren mit Gewalt in seine Richtung, sein Narrativ zu drängen, doch diese – vor allem die titelgebende Katze – widersetzen sich ihm mit Scharfsinn und Hinterlist. Denn die Katze, die tut, was sie will, bleibt sich treu und lässt sich – im Gegensatz zu Hund, Pferd und Kuh – nicht durch Fressen in die Knechtschaft locken. Anders als der Tiger unterliegt sie nicht ihren Wallungen und Rachegelüsten, sondern berechnet – ähnlich wie die kluge, schöne und zahme Frau – das Handeln ihrer Genossen so präzise, dass sie immer zu ihrem Ziel kommt. Selbst dem Erzähler fällt sie ins Wort und weist ihn zurecht. Mit Taktik, Ausdauer und Kalkül kommt auch die Katze zu ihrer Milch und den Annehmlichkeiten der zivilisierten Welt.
Diese zivilisierte Welt bildet sich im Innern der Trommel ab: dort wird aus der Höhle des Urmanns durch das Wirken der Urfrau peu à peu ein Haus mit Vorlegeteppich zum Abputzen der Füße: „Du musst deine Füße abputzen, wenn du eintreten willst,“ sagt die Frau. „Das mache ich nicht, ich bin ein Wilder“, entgegnet der Mann. „Dann putz‘ dir als Wilder die Füße ab.“
Der wilde Mann wird gezähmt, die charmante und liebevolle Frau hat alle Zügel in der Hand und die Katze sagt: „Ich sitze hier am schönsten Platz der Wildnis und liebe gerade meine Freiheit.“
So sind die Freiheit und die eigene Sicht der Dinge zentrale Themen dieser Geschichte, die vom Theatermann, Horst Hawemann, Mitte der 80er Jahre für die Bühne verfasst wurde. Die Idee zu dieser Erzählung stammt aus R. Kiplings „Als ob Geschichten“. Subversiv war diese Geschichte zu DDR Zeiten allemal, da sie den Willen des Einzelnen und dessen Freiheit ins Zentrum stellt. Aber auch hier und heute entfaltet der Text durch seinen Sprachwitz und sein Spiel mit den Worten eine große Aktualität und Brisanz.
Lutz Grossmann vermag es, das kleine und große Publikum im bosco restlos in seinen Bann zu ziehen: als Puppenspieler und schauspielernder Erzähler. Er veranstaltet auf der Bühne ein derart lebendiges und präzises Spektakel, bewegt die Figuren – feine, armlange Puppen aus Stoff von Mechtild Nienaber – so lebensnah und typisch, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt.
Der in Thüringen aufgewachsene Lutz Grossmann, der an der Hochschule „Ernst Busch“ in Berlin Puppenspielkunst studiert hat und seit 2004 als Puppenspieler, Puppenbauer, Schauspieler und Regisseur in der freien Szene und an festen Häusern arbeitet, wird vom Gautinger Publikum mit anhaltendem und begeistertem Applaus gefeiert.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.