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Nach(t)kritik

Do, 26.10.2023
20.00 Uhr

Die wundervollen alten Geschichten

Veranstaltung: Leroy Jones & Uli Wunner's Jazz Creole: A Night in New Orleans

Eigentlich ist diese musikalische Geschichte, die der preisgekrönte US-amerikanische Trompeter Leroy Jones und die Band Uli Wunner’s Jazz Creole um den Freisinger Klarinettisten und Saxophonisten Uli Wunner mit ihrem Konzert im Gautinger Bosco erzählen, die traditionellste Geschichte, die man über den Jazz erzählen kann. Und eigentlich ist fast alles an dieser musikalischen Geschichte vorhersehbar. Die Themen, die Gesangseinsätze, ja sogar die Reihenfolge, mit der die Instrumente zu ihren Soli ansetzen. Eigentlich ist das wie eine Geschichte, bei der man die Verfilmung schon gesehen hat, bevor man den Roman liest. Eigentlich.
Aber dieses „Eigentlich“ ist vollkommen belanglos. Denn trotz all dem – oder gerade deswegen – ist es eine so wunderbare und packende musikalische Geschichte, die hier erzählt wird. Die vom New-Orleans-Jazz, die von der Keimzelle all jener Stile, die von Swing, über Bebop bis hin zur modernen freien Improvisationsmusik musikgeschichtlich folgen sollten. Die von Jazz-Standards wie „All of me“, „When the Saints Go Marchin’ In“ und anderen ikonischen Titeln. Es sind die Musik an sich, die Darbietungsweise dieser sechs Musiker, ihr schieres, aus jedem Detail hervorblitzendes musikalisches Können, die diesen Abend prägen.
Schlagzeuger Stephan Treutter und Bassist Karel Algoed sind das Kraftwerk. Es schnurrt vor sich hin und liefert die Energie, die diese Musik trägt. Posaunist Hank Braun ist ein Meister darin, den Hauptmelodieinstrumenten in der Mittellage seinen Kontrapunkt gegenüberzustellen – dann aber punktgenau herrliche Solobeiträge voller melodischer Ruhe, schillernden Farben oder energischen Statements zu leisten.
Ein ähnlich genial gewichtetes Changieren zwischen Diskretion und auftrumpfenden Momenten prägt Thilo Wagners Spiel am Klavier. Sein Instrument ist im Gesamtklang nicht sehr stark abgemischt. Das ist in einigen Momenten schade – weil Wagners Voicings so schön zwischen Prägnanz und filigraner Figuration austariert sind, dass man sie gerne ein Spur besser hörte; weil beim intimen Duett mit Jones’ Trompete („In a Sentimental Mood“) das Bassfundament, für das hier einzig das Klavier zuständig ist, etwas dünn klingt. Tritt Wagner aber im Tutti mit seinen Läufen und virtuosen Akkordkaskaden in dramaturgisch gekonnter Steigerung hervor, dann ist sein Spiel von strahlender Präsenz.
Bleiben die einander erkennbar innig zugetanen Leader: Wunner und Jones. Zumeist überlässt Wunner dem Freund aus Amerika den Vortritt und sekundiert ihm mit einer zweiten Stimme. Ist Wunner aber gefordert (beispielsweise immer dann, wenn Jones gerade gesungen hat), übernimmt seine Klarinette mit selbstbewusst geführten Skalen die Führung. All das, was Wunner an diesem Abend spielt, ist ensembledienlich und dabei von enormer Qualität.
Mit solchen Partnern kann Jones wundervoll brillieren. Dabei fällt auf, dass sowohl sein Trompetenspiel als auch sein subtil zwischen Bruststimme und Falsett pendelnder Gesang kleine Brüche in sich tragen – und gerade deshalb so grandios sind. Fast nie lässt er das Instrument schneidend schmettern, stattdessen zielt er auf einen auffallend melodischen Trompetenklang, einen Klang, der manchmal bewusst etwas matt gehalten ist, meistens aber solche Wärme ausstrahlt, dass man in einigen Momenten beinahe an ein Flügelhorn erinnert wird. Das schließt keinesfalls aus, dass Jones bei mancher Uptempo-Nummer virtuos auftrumpft – köstlich übersteigert bei seinem atemraubenden Trillerexzess in der Zugabe. Ein Genuss.

Andreas Pernpeintner, 27.10.2023


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 26.10.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.