Nach(t)kritik
Ein Fest für ein Vierteljahrhundert
Veranstaltung: 25 Jahre Theaterforum: Festakt "Traum & Wirklichkeit"So hatte sie es sich vorgestellt, die Dame in Rot, die seit einem Vierteljahrhundert das Theaterforum Gauting begleitet: Tanz und Gesang und Mimen aller Sparten, dazu Nebel von unten und eine Schaukel aus dem Schnürboden und ein Meer aus Lichtern und zum Finale die Welt da draußen von hinten auf die Bühne geholt - das Leben ein Theatertraum. Schon draußen, wo die vorhangrote Lady im XXL-Format mit ihrem wissenden Lächeln das Strömen des Gautinger Kulturvolkes hinein in den bosco-Tempel beobachten konnte, war die knisternde Freude auf dieses Fest zu spüren, die dann durch den ganzen Abend trug und auch die strapazierten Sitzknochen versöhnte.
Was dann als Bühnenkunst-Feuerwerk gezündet wurde, war nichts Geringeres als die Show gewordene Quintessenz aus 25 Jahren Kultur für Gauting. Angefangen bei den intergalaktischen Giganten des Zebra-Stelzentheaters über Matthias Friedrich und Sebastian Hofmüller im Stil von Waldorf und Statler von der Fensternische aus die allererste kulturpolitische Grundlage kommentierend, weiter über eine exklusiv für diesen Abend verfasstes poetische Vignette der legendären Puppet Players und einem atemberaubenden Percussion-Solo mit Babette Haag ging es dann mitten hinein in die düstere Welt von Bernhards „Theatermacher“ in der Spielart von Stefan Hinstein, gefolgt von Alexander Netschajew als Faust und Mephisto im Studierzimmer, die dann beide eine Begegnung mit der „Dame mit Hütchen“ an der Seite von Gerd Holzheimer hatten. Mit Ludwig Seuss, Eddie Taylor und dem Blues of Würm stiegen die nächsten Raketen hoch, abgelöst von der ersten Trägerin des Gautinger Literaturpreises, Tanja Weber, die wiederum die Staffel weiterreichte an Bettina Mittendorfer und ihre Version der Geschichte „Psyche“ von Oskar Maria Graf. Und noch immer stiegen weitere Raketen hoch in diesen Bühnenhimmel: Bettina Fritsche mit einem Tanzsolo und Stefan Wilkening mit einem weiteren Schauspiel-Solo (der ersten eigenen Theaterforums-Produktion, „Der Kontrabass“) und schließlich das Gautinger Tanz-Ensemble Immertanz mit einem Auszug aus der noch entstehenden neuesten Produktion. Dazwischen waren Videobotschaften von weiteren Künstlern, von Zuschauern und Politikern zu sehen, gedreht, geschnitten und zusammengestellt von Jungfilmer Amos Ostermeier. Moderiert wurde der Abend charmant und sehr versiert von Alexander Netschajew, selber Schauspieler und eines der Urgesteine des Theaterforums.
Die ganze Breite der im Programm des Theaterforums vertretenen Sparten war zugegen, das Schauspiel und der Tanz, die Klassik und der Jazz, die Literatur, die Performance, das Gespräch. Und es darf mit ganzem Stolz darauf hingewiesen werden, dass rund Dreiviertel der agierenden Künstler aus Gauting stammen - die Kultur lebt in diesem Ort, sie prägt das Theaterforum und wird von diesem geprägt. „Kultur ist das, was und wie eine Gemeinde miteinander lebt“, heißt es an einer Stelle des am Anfang - von Friedrich und Hofmüller aus der „Loge“ heraus - zitierten „Diskursiven Kulturgutachten“, das einst den Grundstein legte für all das, was an diesem Abend im bosco gefeiert wurde. Darin steckt eine klare Aufforderung: den Freiraum Bühne wertzuschätzen als Raum für gelebte Demokratie. Wie gut, dass dieser Freiraum in der Mitte des Ortes angekommen ist. Wie wichtig, dass er hier bleibt.
Epilog: Was mag sie gedacht haben, die Dame in Rot, beim Anblick der erhitzen Gesichter über den Sektgläsern oben in den Fenstern der bar rosso? Wird sie die langjährigen Zuschauer der vielen spannenden Theaterabende erkannt haben? Die Gautinger Nachbarn, die das Theaterforum feiern? Wird sie an die Zukunft gedacht haben, die vielleicht nicht immer Sekt bereitstellen wird? Oder an die Vergangenheit damals im kleinen engen Keller unter der Hauptschule? Wer ganz genau hingeschaut hat, wird das Lächeln um ihren Mund bemerkt haben. Es war ihr ein Fest.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.