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Nach(t)kritik

Fr, 08.12.2023
20.00 Uhr

Endlich Pharaonin sein

Veranstaltung: Vortrag zum Themenschwerpunkt: "Von der 'Pharaonin' zum 'Heimchen am Herd'" von Helma Sick

Eigentlich, denkt sich die Rezensentin am Ende des Abends mit Helma Sick, müssten hier in der auffallend gut und mehrheitlich von Frauen besuchten Bar Rosso lauter Pharaoninnen sitzen: gut ausgebildete, gleichberechtigte Säulen der Gesellschaft. Weil aber Helma Sick auf ihrem höchst kurzweiligen und ebenso informativen „Ritt durch die Jahrhunderte“ anschaulich dargestellt hat, wie sich das Bild der Frau im Lauf der Geschichte immer wieder verwandelt hat und wie es ausgerechnet hierzulande dazu kam, dass das sprichwörtliche „Heimchen am Herd“ immer noch in den Köpfen und vor allem in der gesellschaftlichen Realität verankert ist, erwischt sich die Rezensentin im Foyergespräch dabei, dass sie wohl weniger Pharaonin ist, als sie bisher immer geglaubt hat. Warum?

Kurz zusammengefasst, beschreibt der Vortrag von Helma Sick die Geschichte von „Frau und Geld“ als eine der immer wieder neu stattfindenden weiblichen Enteignung. Tatsächlich bestanden für Frauen im alten Ägypten ganz andere Möglichkeiten als heute. Die damals schon bestehenden Eheverträge regelten ihre soziale Stellung, sorgten für ihre rechtliche Absicherung im Sinne einer tatsächlichen Gleichstellung mit ihrem Partner und gaben ihr die Möglichkeit, Besitz und Vermögen eigenständig zu erben und zu vererben. Auch ihre soziale Anerkennung war eine gleichberechtigte: so konnten sie tatsächlich Pharaonin werden.

Bereits im Athen der Antike, jener „Wiege der Demokratie“, sah die Situation jedoch schon ganz anders aus. Dort war die Stellung der Frau jener des unmündigen Kindes gleich. Sie durfte keinerlei eigenen Besitz haben, der mehr wert war als eine Schüssel Gerste. Im alten Rom immerhin formierte sich hier und da zaghafter weiblicher Protest gegen die Benachteiligung, doch mit dem Christentum ging diese Tür bereits wieder zu. Und mit der zunehmenden Industrialisierung veränderte sich das Frauenbild hin zu jenem, das bis heute die Grundannahme prägt, dass die Frau in erster Linie für den Haushalt und die Kinder zuständig ist und dafür, dem erwerbstätigen Mann den Rücken freizuhalten. Verschiedene historische Zeitumstände, allen voran der Nationalsozialismus, trugen das ihre zur Manifestierung dieses Rollenbildes bei. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem (Wieder-)Erwachen der Emanzipationsbewegung, setzte eine langsame Veränderung ein. Doch gerade hinsichtlich der Beziehung „Frau und Geld“ besteht nach wie vor großer Handlungsbedarf. So zählt Deutschland beispielsweise im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu den Schlusslichtern, was die Erwerbstätigkeit bei Frauen angeht: nirgendwo sonst gibt es eine derart große Anzahl von weiblicher Teilzeit-Beschäftigung wie bei uns. „“Deutschland liegt da fast vierzig Jahre hinter anderen Ländern zurück“, sagt Helma Sick. Nach wie vor gilt bei uns das Leitbild der Hausfrau in der Ehe. Zwar arbeiten Ehefrauen und Mütter, doch die gesamte Care-Arbeit liegt in der Regel auf ihren Schultern. Gerade diese Selbstverständlichkeit ist ein Grund für den heutigen Mangel an Erzieherinnen und Pflegekräften: „Mutter hat doch immer all das gemacht“. lautet die Überzeugung.

Unterstützt wird dieses Frauenbild nach wie vor in der Unterhaltungsindustrie, die mit Kitschfilmen wie dem Sonntagabendprogramm an Cornwalls Küstenm eben diese „Heimchen am Herd“ nach wie vor über die Bildschirme flirren lässt. Es gilt also, mit dieser Erkenntnis geht die Rezensentin heim, sich immer wieder darüber klar zu werden, wie der Zugang zum Geld gestaltet wird. Denn wer sich nicht weht, landet am Herd.

Sabine Zaplin, 09.12.2023


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Fr, 08.12.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.