Nach(t)kritik
Fallensteller
Veranstaltung: Gardi Hutter: So ein KäseDie Falle. Wer kennt nicht die Panik, drin festzusitzen? Wer wüsste nicht von der Verlockung, das aus dem Innern der Falle Lockende zu ergattern? Urangst und Urlust begegnen einander in der Falle. Und urkomisch ist, wie Gardi Hutter in einer gut wie ein reifer Käse abgelagerten Produktion, in ihrem „Klassiker“ mit dem Titel „So ein Käse“ diese Geschichte erzählt.
Auf der Bühne steht eine gigantische Mausefalle. Ein riesiger runder Käseball ist darin aufgehängt, ein Käse gewordenes Ausrufezeichen hinter der falschen Botschaft „Hol es dir doch“. Die Clownin, eine mit Ofenfernrohr und dressierter Fliege ausgestattete Maus, beobachtet dieses Objekt der Begierde mit wachsendem Verlangen und der Gewissheit, dass jeder Annäherungsversuch so enden könnte wie bei den nur noch als gerahmte Photographie vorhandenen Verwandten. Eines Tages jedoch, mehr aus Zufall, sitzt die Maus drin in der Falle, ohne dass diese zugeschnappt wäre. Käse ohne Ende fortan, Käse als Hängematte, Käse als Blumenkasten, Käse als Markise am hochgeklappten Fallentor - der Mechanismus war längst verrostet. Oh les beaux jours!
Doch so lächerlich wie im Sprichwort vom selten gut tuenden Übermut schnappt am Ende die Falle doch noch zu. Da hat die Maus längst den nächsten Käse ins Auge gefasst, den vollen Mond himself, hat die männliche Hälfte des Publikums zu Komplizen gemacht, nachdem die dressierte Fliege den Weg allen Irdischen gegangen worden war, hat versucht, die Schwerkraft zu überwinden und an Höhe zu gewinnen. Und musste doch scheitern. An der Gier und der eigenen Unbeherrschtheit. Denn den wirklich guten Käse gewinnt doch nur, wer sich selber beherrscht.
Gardi Hutter hat in Gauting einen käsegroßen Fanclub, und auch aus dem benachbarten München sind die Fans angereist. Sie haben sich gern und zu Recht in die große Falle der wunderbaren Clownin locken lassen und gemeinsam mit der Maus festgestellt, dass es kaum eine größere Freiheit gibt als die jenseits der Arglist - man darf nur niemals weiter als bis hinter die Grenzen des eigenen Glaubens gehen.
Es gelingt dieser wohl größten unter den Clowns und Clowninnen, auf dem Drahtseil der Tragikomik zwischen dem Einfachen und dem ganz Hohen gekonnt zu balancieren, immer ohne Netz, aber nie ohne doppelten Boden. Meist auf Clownisch, zuweilen auf Hochdeutsch (wobei auch dies sich hätte getrost ins Nonkommunikative übersetzen lassen können) und oft auch ganz ohne Worte agiert Gardi Hutter mit den klassischen Mitteln der Parodie, Übertreibung und Satire, ohne jemals ihre Figur zu verraten oder auf allzu rasche Effekte zu setzen. Und auch nach all den Jahren ist „So ein Käse“ alles andere als ranzig. Man möchte ewig in dieser Falle sitzen.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.