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Nach(t)kritik

Di, 19.09.2023
20.00 Uhr

Flötenwunder

Veranstaltung: Magali Mosnier, Flöte & Éric Le Sage, Klavier: Beethoven, Reinecke, Debussy, Ravel und Poulenc

Eine schlecht gespielte Flöte kann einem den letzten Nerv rauben. Und es gibt den bösen Witz mit der Frage: „Was ist schlimmer als eine Flöte?“ Antwort: „Zwei Flöten!“ Doch nichts davon wird wahr, wenn Magali Mosnier die Bühne betritt. Schon in der Bearbeitung der eigentümlich konzertanten, locker gefügten und sehr charmanten Serenade für Flöte, Geige und Bratsche von Ludwig van Beethoven, komponiert um 1801 und hier bearbeitet für Flöte und Klavier, fällt auf, wie fein und locker Mosnier auf und mit ihrem Instrument parlieren, also „sprechen“, aber eben auch "singen" kann. Kein Ton hat zu viel Luft, nichts ist zu laut, alles klingt fein abgetönt und einfach wunderschön!

Zwei Generationen später lebte Carl Reinecke und so atmet seine Flötensonate e-moll von 1882 mit dem Untertitel „Undine“ ganz spätromantisches Flair. Man mag im ersten Satz das die Nixe umfließende Wasser heraushören und im langsamen Satz die Trauer der Seejungfrau noch keine Menschenfrau geworden zu sein. Man kann sich aber auch einfach den Klängen hingeben, die Magali Mosnier mit Éric Le Sage am Flügel zaubert, er freilich eher der nüchterne Begleiter, der gelegentlich  (wie im "Allegro vivave e disinvolto" ebenso rasant wie flüchtig über die Tasten wischt und sich vor Ausdruck und Gefühl immer ein wenig scheut . Aber all das besitzt ja die Flötistin in seiner ganzen Bandbreite.

Nach der Pause dann noch einmal eine Steigerung mit Werken von drei Franzosen: Claude Debussy, Maurice Ravel und Francis Poulenc. Das berühmte „Prélude à lapres-midi d’un faune“ bedeutete für Debussy 1894 den Durchbruch und diente fast 20 Jahre später als Musik für einen erotisch aufgeladenen, damals revolutionären Tanz von Vaslav Nijnsky, was diese zehn Minuten endgültig weltberühmt machte. Das Stück nach dem gleichnamigen Gedicht von Stéphane Mallarmé einmal in der schlanken Bearbeitung für Flöte und Klavier zu hören, hat seinen besonderen Reiz und das nicht nur schon zu Beginn, der in Original wie Bearbeitung dasselbe magisch geheimnisvolle Flötensolo exponiert. Später vermisst man schon ein wenig die Farbpalette eines großen Orchesters, aber die Verzauberung hält bis zum Ende an.

Warum die einsätzige erste Violinsonate a-moll des gerade mal 20-jährigen Maurice Ravel aus dem Jahr 1895 erst Jahrzehnte nach seinem Tod veröffentlicht wurde, versteht man wahrlich nicht, denn ihre kompositorischen Qualitäten (dichte Faktur und ein  ganz eigener Charakter, der schon viel vom Personalstil Ravels verrät)  sind  bemerkenswert. Mosnier vermag dabei die Spannung in jeder Phrase zu halten und eine berührende Geschichte ganz ohne Worte zu erzählen.

Dagegen besitzt Francis Poulencs Flötensonate, komponiert für Jean-Pierre Rampal und vollendet 1957, jede Menge Witz und Eleganz, die Mosnier mit unbändiger Lust zu feiner Kunst gerinnen lässt. Das Finale besitzt so viel frech rasantes Feuer, dass man fast fürchtet: Jetzt hebt Magali Mosnier gleich ab oder löst sich in Luft auf. Das geschieht natürlich nicht und die berühmte „Sicilienne“ von Gabriel Faurè aus seiner Tondichtung „Pelléas et Mélisande“, die in zahllosen Kammermusik-Bearbeitungen überliefert ist, beruhigte alle und erwies sich noch einmal als kleines Flötenwunder!

Wer nach einem solchen Abend immer noch Probleme mit diesem Holzblasinstrument aus Metall hat, dem ist wahrlich nicht zu helfen.

 

Klaus Kalchschmid, 20.09.2023


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Di, 19.09.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.