Nach(t)kritik
Französische Eleganz und Finesse
Veranstaltung: Quatuor Hermès: Hersant, Schubert, HaydnEs war bereits der vierte Besuch des Quatuor Hermès in Gauting: 2013, 2014 und 2015 war das französische Quartett jeweils am 17. September, dem Geburtstag vom verstorbenen künstlerischen Leiter des Klassikforums Rainer A. Köhler, in der Frauenkirche und im bosco zu Gast. Wie damals, schwappte den jungen Musikern auch diesmal eine Woge der Sympathie entgegen. Was offenbar gut ankommt, ist die sensible, überaus kultivierte Art zu musizieren. Die Hingabe der vier Musiker sowie ihre spürbare Verbindung untereinander wie mit dem Publikum sorgen indes für eine natürlich wirkende Bühnenpräsenz. Ganz unspektakulär, einfach nur aufs Wesentliche konzentriert. Am deutlichsten offenbarte sich dies in der Zugabe, mit der sich das Ensemble gewiss für die Begeisterung des Publikums bedankte, vor allem aber sich selbst zu belohnen schien. Alle vier Musiker genossen jeden Ton dieses langsamen Satzes aus dem Streichquartett von Debussy, der da mit Dämpfer gespielt in warmtoniger Zartheit und wohliger Atmosphäre fürs blühende Kolorit sorgte. Das entrückte, subtil changierende Klangbild, war schlichtweg magisch.
Aber das feinsinnig formende Ensemble zeigte sich nicht nur bei dem Impressionisten derart empfindsam und edel. Schon bei Haydn begeisterten Primarius Omer Bouchez und Elise Liu an den Violinen, Yung-Hsin Lou Chang an der Viola sowie Anthony Kondo am Violoncello mit geistvoller Eleganz und deutlich französischer Finesse. Auch wenn Haydn gerade im folkloristisch grundierten Scherzo bisweilen aufs musikantische Poltern setzte, hätte er wohl nichts gegen diese vielleicht harmlosere, dafür aber umso sinnenfreudigere Interpretation einzuwenden gehabt. Zumal darin der Witz des Schlusssatzes bestens funktionierte: Das Publikum ließ sich täuschen und platzte mit dem begeisterten Applaus am vorgegaukelten Ende rein, noch bevor der gänzlich unscheinbare Schlusstakt ausgespielt war.
Die feinsinnig emotionale Spielart zeigte ihre Stärken vor allem im reich nuancierten Changieren zwischen Licht und Schatten, Dur und Moll, worauf es bei allen drei Komponisten des Abends auch ankam. Die so durchmodellierte Textur machte bei Haydn den eigentlichen Reiz dieses Streichquartetts überhaupt aus, hatte doch der gereifte Komponist nun weniger Gelehrsamkeit im Sinn als stärkere Emotionalität, die ihm eine größere Gestaltungsfreiheit gewährte. Das Quatuor Hermès nutzte sie mit Bedacht, dennoch reichlich genug, das Werk mit fesselndem Ausdruck zum Blühen zu bringen.
Diese Spielcharakteristik funktionierte zuvor schon beim zeitgenössischen Werk von Philippe Hersant. Der in Rom 1948 geborene Franzose hatte sich wie schon Dutilleux, Boulez und Britten den Namen des Schweizer Dirigenten und Mäzens Paul Sacher (1906-1999) zu variieren vorgenommen. Die Fantasien über S(Es)-A-C-H-E-R(Re) haben also ein recht begrenztes Grundmaterial, sind daher umso mehr auf die emotionalen Ausprägungen angewiesen, die das Ensemble auch schon mit schrofferer Gangart zu kontrastieren verstand. Eine überraschende Verwandtschaft ergab sich über die folkloristisch gefärbte Schlussvariation, wie sie durchaus auch bei Haydn hätte stehen können.
Schuberts Affinität zur Volksmusik ist auch im Rosamunde-Quartett deutlich zu spüren. Hier griffen die vier Instrumentalisten nun mutiger in die Substanz ein, was vor allem dem Changieren ins Dramatische guttat. Dass sich Schubert unter anderem auch mit diesem Werk „den Weg zur großen Sinfonie bahnen“ wollte, wie er selbst bekundete, wurde an diesen Stellen orchestraler Fülle deutlich nachvollziehbar. Zugleich profitierte das Werk aber auch von der rein kammermusikalischen Sensibilität des Ensembles, wenn es darum ging, die Großteils betörend schönen Themen mit tief beseeltem Ausdruck bis hin zu beschwingter Leichtigkeit auszusingen. Schuberts Berg- und Talfahrt der Gefühle schien sich in der dichten Homogenität des Ensembles geradezu aus sich selbst zu ergeben. Und diesen Eindruck zu erwecken, ist wohl die höchste Meisterschaft im Zusammenspiel.
Aber das feinsinnig formende Ensemble zeigte sich nicht nur bei dem Impressionisten derart empfindsam und edel. Schon bei Haydn begeisterten Primarius Omer Bouchez und Elise Liu an den Violinen, Yung-Hsin Lou Chang an der Viola sowie Anthony Kondo am Violoncello mit geistvoller Eleganz und deutlich französischer Finesse. Auch wenn Haydn gerade im folkloristisch grundierten Scherzo bisweilen aufs musikantische Poltern setzte, hätte er wohl nichts gegen diese vielleicht harmlosere, dafür aber umso sinnenfreudigere Interpretation einzuwenden gehabt. Zumal darin der Witz des Schlusssatzes bestens funktionierte: Das Publikum ließ sich täuschen und platzte mit dem begeisterten Applaus am vorgegaukelten Ende rein, noch bevor der gänzlich unscheinbare Schlusstakt ausgespielt war.
Die feinsinnig emotionale Spielart zeigte ihre Stärken vor allem im reich nuancierten Changieren zwischen Licht und Schatten, Dur und Moll, worauf es bei allen drei Komponisten des Abends auch ankam. Die so durchmodellierte Textur machte bei Haydn den eigentlichen Reiz dieses Streichquartetts überhaupt aus, hatte doch der gereifte Komponist nun weniger Gelehrsamkeit im Sinn als stärkere Emotionalität, die ihm eine größere Gestaltungsfreiheit gewährte. Das Quatuor Hermès nutzte sie mit Bedacht, dennoch reichlich genug, das Werk mit fesselndem Ausdruck zum Blühen zu bringen.
Diese Spielcharakteristik funktionierte zuvor schon beim zeitgenössischen Werk von Philippe Hersant. Der in Rom 1948 geborene Franzose hatte sich wie schon Dutilleux, Boulez und Britten den Namen des Schweizer Dirigenten und Mäzens Paul Sacher (1906-1999) zu variieren vorgenommen. Die Fantasien über S(Es)-A-C-H-E-R(Re) haben also ein recht begrenztes Grundmaterial, sind daher umso mehr auf die emotionalen Ausprägungen angewiesen, die das Ensemble auch schon mit schrofferer Gangart zu kontrastieren verstand. Eine überraschende Verwandtschaft ergab sich über die folkloristisch gefärbte Schlussvariation, wie sie durchaus auch bei Haydn hätte stehen können.
Schuberts Affinität zur Volksmusik ist auch im Rosamunde-Quartett deutlich zu spüren. Hier griffen die vier Instrumentalisten nun mutiger in die Substanz ein, was vor allem dem Changieren ins Dramatische guttat. Dass sich Schubert unter anderem auch mit diesem Werk „den Weg zur großen Sinfonie bahnen“ wollte, wie er selbst bekundete, wurde an diesen Stellen orchestraler Fülle deutlich nachvollziehbar. Zugleich profitierte das Werk aber auch von der rein kammermusikalischen Sensibilität des Ensembles, wenn es darum ging, die Großteils betörend schönen Themen mit tief beseeltem Ausdruck bis hin zu beschwingter Leichtigkeit auszusingen. Schuberts Berg- und Talfahrt der Gefühle schien sich in der dichten Homogenität des Ensembles geradezu aus sich selbst zu ergeben. Und diesen Eindruck zu erwecken, ist wohl die höchste Meisterschaft im Zusammenspiel.
Reinhard Palmer, 13.01.2019
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.