Nach(t)kritik
Heute Romantik
Veranstaltung: Kilian Schönberger: Caspar David Friedrich – Eine fotografische SpurensucheEin düsterer Wald, kahle Bäume im fahl bläulichen Mondlicht. Ein verlassener Holzschuppen auf wildgrüner Wiese vor unendlich weitem Himmel. Eine Gestalt von hinten am Rand einer Abbruchkante, kahle Bäume zu ihrer Rechten. Die Landschaftsfotografien von Kilian Schönberger sind „Eine fotografische Spurensuche“, auf den Spuren des Malers Caspar David Friedrich. „Ich musste mir den Maler erst erarbeiten“, berichtet er zur Eröffnung der Fotoausstellung und erzählt, dass Caspar David Friedrichs Gemälde „einen nachhaltigen Einfluss“ auf seine eigene fotografische Bildsprache gehabt hätten.
Tatsächlich ist einigen der Fotografien von Kilian Schönberger die Auseinandersetzung mit Friedrich, mit den Motiven der Epoche der Romantik, mit denen der Maler sich auseinandergesetzt hat, durchaus anzusehen. Gerade die von Nebel geprägten Wald-Fotografien erzählen, wie in Friedrichs Gemälden, von Geistern, vergangenen Geschichten und einer im Lichtspiel nur zu erahnenden tieferen Textur durchlebter Schicksale. Das Bild, das die Person an der Abbruchkante zeigt, steht ganz deutlich in einerAuseinandersetzung mit den bildnerischen Inszenierungen des Malers, dessen Geburtstag sich heuer zum 250. Mal jährte. Andere Exponate der Ausstellung wiederum setzen das Licht selber in Szene, setzen stärker auf den Augenblick als auf die epochalen Zusammenhänge.
Zur Eröffnung zeigte Kilian Schönberger eine Multivisions-Show mit teils bewegten Bildern, unterlegt mit einer romantisch anmutenden, sich immer wieder dramatisch aufschwingenden Musik. Diese Spurensuche unter dem Titel „Lockruf der Einsamkeit“ beschrieb ein Buchprojekt, das Schönberger für den Merian-Verlag erarbeitet hat: eine fotografische Reise durch Deutschland, angefangen an den Küstenlandschaften und den Gegenden rechts und links der Elbe - jenen Landschaften, in denen Caspar David Friedrich gelebt und gewirkt hat - über die Mittelgebirge, die Voralpengegend bis ins Hochgebirge. Dabei ging es Kilian Schönberger nicht um eine akribisch genaue Nach-Bildung der von Friedrich dargestellten Landschafts-Szenen, sondern vielmehr um ein Nachspüren derselben in ähnlichen, geographisch durchaus ganz anderen, nur in ihrer Anmutung die Stimmung ebenfalls enthaltenden Landschafts-Szenerien. „Die Herausforderung bestand darin, Orte in Gegenden zu finden, wo sich Anleihen an die Gemälde entdecken lassen“, berichtet er.
Auf seiner Reise durch Deutschland stieß Schönberger immer wieder auch auf jene tatsächlichen Orte, die teils noch so aussehen, wie Caspar David Friedrich sie malte - beispielsweise die Kirchruine Eldena. Und auch, wenn sich die Landschaften ringsum naturgemäß verändern, teils dicht bebaut sind, teils mittlerweile nahezu baumlos, so findet das Auge des Fotografen dennoch die Perspektive, die sich zwei Jahrhunderte zuvor dem Maler dargeboten hat. Diese lebendigen, den Bogen von heute aus spannenden Momente entschädigen für die von der wiederkehrenden Musik zu sehr in eine Soße getauchten Schein-Romantik-Momente. Der Lockruf der Einsamkeit hingegen war in dieser Multi-Media-Show nahezu kaum hörbar. „Ich muss mit meinen Wolken und Felsen verschmelzen, um zu sein, was ich bin“, hat Caspar David Friedrich gesagt. Dieses Verschmelzen sei den Betrachterinnen und Betrachtern der Ausstellung von Herzen gewünscht.
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