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Nach(t)kritik

Sa, 24.11.2018
20.00 Uhr

Hilft ja nix

Veranstaltung: Michael Fitz: jetz' auf gestern 2018

Was gesagt werden muss, muss gesagt werden. Manchmal eben auch von jetzt auf gestern. „jetz`auf gestern“, heißt das aktuelle Programm, mit dem der Songpoet Michael Fitz in diesem Jahr durchs Land tourt und auch im bosco Station macht. Um nichts Geringeres geht es in den Liedern als um das, was den Menschen ausmacht, mit all seinen Unzulänglichkeiten, seinen Schwächen, seinen Ängsten und Sehnsüchten und auch um seine Sterblichkeit. Irgendwie passt es ganz gut, dass Fitz hier am Vorabend des Totensonntag auftritt: Nachdenkliches über die uns zugemessene Zeit und darüber, wie wir sie vielleicht am besten nutzen könnten, sind durchaus angemessen Ende November, ehe die Glöcklein wieder süßer nie klingen. 

Es beginnt mit einem Blick auf die Entwicklung der Menschheit, von den Anfängen des homo sapiens bis hin zum homo digitalis, jenem gegenwärtigen Exemplar, das bereits mit einem Wischkästchen auf diese Welt kommt und dem es immer noch, immer wieder um nichts anderes geht als um die Selbstoptimierung: wie und wann werde ich schneller, smarter, erfolgreicher, und wie gestalte ich vor diesem Hintergrund meine Beziehung? Wie lassen sich Attraktivität, Intensität und Leidenschaft verbessern? „Des bin i“, heißt der Song, der eine Antwort bietet auf die absurden Ambitionen, aus dem Ich ein Super-Ich zu machen - ein großartiges, musikalisch höchst spannendes Lied. 

Von der Menschheitsgeschichte zum Individuum ist es nur ein kleiner Schritt, ein aufgefächerter Akkord, ein mutiger Takt. Das Bedürfnis, geliebt und beachtet zu werden, ist ein Grundrecht, das immer wieder und nicht selten bereits sehr früh erstritten werden muss. „Du siegst mi net“ erzählt von einem kleinen Buben, der vergeblich um die Anerkennung seines Vaters kämpft - gewidmet hat Michael Fitz dieses Lied seinem verstorbenen Vater, „und jetzt, wo ich selber vorne, in der ersten Reihe stehe“, jetzt, wo er selber zu denen gehört, die irgendwann, zu einem noch unbekannten Zeitpunkt, diese Erde verlassen werden, kann dieses Lied aus einem früheren Programm durchaus mal wieder gespielt werden. „Vielleicht hörst mich ja jetzt“, so endet an diesem Abend dieses Lied.

Nach der Pause - in der es als Überraschung einen kerzenbestückten Geburtstagskuchen für den am CD-Tisch sitzenden Künstler und Jubilar gibt - wird es noch eine Spur philosophischer. Die Harmonien tendieren gen Moll, die Songs werden balladesker, die Themen widmen sich den ganz großen Fragen: was ist Zeit und wie geht man um mit diesem Vermögen? Was wird bleiben von uns und welche Bestandteile einer Persönlichkeit lassen sich benennen? „Jetz`auf gestern“, der Titelsong des neuen Albums und des aktuellen Programms beschreibt diese Selbstanalyse eines, der nicht anders kann, als in die Tiefe zu gehen, hinabzusteigen in den eigenen Hades. „Hilft ja nix“ - fast klingt diese lapidar hingerotzte Randbemerkung wie ein Lebensmotto.

Es ist die Gratwanderung zwischen Reden und Musizieren, zwischen dem Philosophischen und dem Musikalischen, was einen Abend mit Michael Fitz ausmacht. Das Geheimnis scheint zu sein, dass beides, die Musik wie das Philosophieren, so leichtfüßig, beinahe schwebend daherkommt. Beinahe so, als ob es wirklich leicht wäre. Die Kunst und das Leben.

Sabine Zaplin, 24.11.2018


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Sa, 24.11.2018 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.