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Nach(t)kritik

So, 14.11.2021
20.00 Uhr

Hommage an die 'russische Seele'…

Veranstaltung: Louis Vandory, Heinrich Klug & Helena Lüft: Musik zur Zarenzeit

Ein unbeschreibliches Glück, dass Heinrich Klug, langjähriger Konzertmeister der Münchner Philharmoniker, seit knapp einem halben Jahrhundert in Buchendorf lebt: Beim „Heimspiel“ begeisterte der Cellist und Jung-Talent-Förderer mit „Musik zur Zarenzeit.“ Denn beim romantischen Kammerkonzert mit Louis Vandory (22), Violin-Meisterschüler der in Gauting aufgewachsenen Weltklasse-Geigerin Professorin Julia Fischer, und der hochtalentierten, erst 15 Jahre jungen Pianistin Helena Lüft, blieb kein Wunsch offen. Als Helena Lüft die höchst anspruchsvolle „Valse caprice“ für Klavier des berühmten russischen Komponisten Anton Rubinstein, virtuos, in Atem beraubendem Tempo hinlegt, dankt das Publikum mit Bravo-Rufen.

„Musik zur Zarenzeit“: Beschwingt, mit dem heiteren „Allegro molto“ des russischen Komponisten Anton Arensky eröffnet das Trio den Abend im coronabedingt wieder weiträumig bestuhlten bosco-Saal. Wie bei seinen bekannten Kinderkonzerten der Münchner Philharmoniker führt Heinrich Klug locker durch die russische Musik der Romantik. Als der tänzerische Satz mit effektvollen Trillern und schnellen Läufen der jungen Pianistin virtuos verklingt, folgt sofort begeisterter Beifall.

Sowohl Helena Lüft, seit 2020 Jungstudentin von Professor Adrian Oetiker an der Hochschule für Musik, als auch Louis Vandory, derzeit Schüler von Professorin Julia Fischer, waren bereits bei seinen Kinderkonzerten der Münchner Philharmoniker mit dabei, verrät Konzertmeister und Solo-Cellist Heinrich Klug. Aber auch die heutige Professorin Julia Fischer selbst – „vor 25 Jahren.“

Mit Kostproben wie dem Ohrwurm der elegischen „Mélodie“ opus 3 Nummer 1 und Nummer 2 von Anton Rubinstein entführen der Cellist und die Pianistin zunächst in die romantische Salonmusik der Zarenzeit Ende des 19.Jahrhunderts.
„Der Tonsetzer“ und berühmte Pianist Anton Rubinstein war Workaholic – und gab mit dem Geiger Henryk Wienawski bei einer Sechs-Monats-Tournee durch die USA innerhalb sechs Monate 216 Mammut-Konzerte, erzählt Heinrich Klug. Obwohl der Zar dem reichen Gründer des Konservatoriums St. Petersburg und Beethoven-Verehrer eine Leibrente und den Adelstitel bot, zog der Russe nach Deutschland. In Dresden wurden fünf Klavierkonzerte von Rubinstein aufgeführt, aber auch seine Opern.
Und hier schließt sich der Kreis: Anton Rubinstein lebte auch in Heinrich Klugs Geburtsstadt Dresden, in Kleinzschachwitz. So kam´s, dass der Cellist mit der vielversprechenden Pianistin Helena Lüft, die bei seinen Kinderkonzerten einst das „Nannerl“, also Mozarts Schwester gab, zuvor beim Rubinstein-Konzert mit Klug in Dresden brillierte.

Die Gautinger Zuhörer kamen deshalb in den Genuss von Kostproben aus dem Rubinstein-Konzert in Dresden: Im traumwandlerisch hingelegten Duo mit dem Violin-Virtuosen Louis Vandory zum Klavier erklingt zunächst das innig interpretierte, effektvoll komponierte „Salonstück“ mit den tänzerischen Elementen,
Der als „Beethoven Nummer zwei“ gefeierte, aufbrausende, charismatische Anton Rubinstein litt unter Depressionen, erklärt Heinrich Klug: Das, was so landläufig als die „russische Seele“ kursiert, bringen der Cellist und die junge Pianistin in der Komposition “Einsamkeit“ tief berührend zum Ausdruck: Das dunkel-melancholische Thema des Cellos mündet ins gedämpft dahinschreitende Klagelied der Pianistin. In zwei kurz angetippten Akkorden endet die Klage im Pianissimo.
Als Kontrast bieten Pianistin und Cellist danach das rhythmische Duo „Aus der Ritterzeit“ mit effektvoll komponierten, dahinjagenden Läufen: „Ein Ritter, der sich vor dem hübschen Burgfräulein aus dem Staub macht?“ scherzt Heinrich Klug.
Ein Höhepunkt dieses ersten Konzertteils mit Kompositionen von Anton Rubinstein wird die von Helena Lüft grandios hingelegte höchst anspruchsvolle „Valse caprice“ für Klavier:
Im Wechsel mit kraftvollen Akkorden entwickelt die junge Pianistin eine ungeheure Dynamik mit scheinbar mühelos gespielten Läufen. Mit Bravo-Rufen und Applaus danken die etwa 70 Zuhörerinnen und Zuhörer für eine Sternstunde klassischer Musik. Und Heinrich Klug fürchtet, dass Komponist Rubinstein seine „Valse caprice“ bei seine Mammutkonzerten lange nicht so gekonnt spielte – wie Helena Lüft.
In der „Romanze“, die Rubinstein eigentlich nur für Klavier komponiert hatte, begeistert das Trio mit einer Erstaufführung: Im Liebesduo mit der Pianistin erklingt zum Cello die geradezu betörende Geige des Virtuosen Louis Vandory.

Zum Dahinschmelzen ist im zweiten Part das romantische Largo aus dem Trio pathétique von Michael Glinka. Ein gekonntes temporeiches Zusammenspiel bieten Violinvirtuose Louis Vandory und Helena Lüft in der „Mélodie“ opus 42 von Peter Tschaikowski. Großer Applaus.
Eine hinreißend innige Cellostimme ist in der melancholischen Komposition „Chant triste“ des ebenfalls depressiven Russen Anton Arensky zu hören.
Die tänzerische Gavotte von Wilhelm Fitzenhagen löst diese Tristesse wieder auf.
Als die junge Pianistin Sergei Rachmaninoffs „Prelude“ mit den abstürzenden Läufen und der dunklen Wucht der Akkorde das Letzte aus dem Flügel holt, applaudiert das Publikum hingerissen.
Als beruhigende Zugabe und Hommage an die „russische Seele“ folgt zum Finale nochmals die wunderschöne Romanze für Violine, Cello, Klavier von Anton Rubinstein aus dem ersten Part.

Ja, ein Segen für Gautings Klassikfans, dass Philharmoniker und Talentförderer Heinrich Klug in Buchendorf lebt. 

Christine Cless-Wesle, 15.11.2021


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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So, 14.11.2021 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.