Nach(t)kritik
Kabarett mit Küchen, Klemmen und Kirchen
Veranstaltung: Sarah Hakenberg: Dann kam lange nichtsSarah Hakenberg hat ein kleines Problem. Sie ist zu nett. Von Anfang an geht man mit dieser sympathischen Frau auf der Bühne mit, nicht zuletzt deshalb, weil man von ihr nichts befürchten muss, zum Glück nicht einmal den erhobenen Kabarett-Zeigefinger.
Aber der Reihe nach.
Gleich zu Beginn setzt Sarah Hakenberg das Thema, kurz und knackig mit Klavierakkord: wie überlebt man die Provinz oder warum es sich in Ostwestfalen trotz Küchen, Klemmen und Kirchen so gut leben lässt. Sie erzählt den Abend über Unterhaltsames, Privates, zitiert Statistiken über die Besiedelung, Lebensqualität und Sterblichkeit des Landstriches, in den sie vor fünf Jahren von München aus gezogen ist. In eine Gegend, in der es viel regnet und außenherum nichts ist. In der die Kindergärten „Mariae Heimsuchung“ heißen und nicht so niedliche Namen wie in „Grashüpfer“ tragen wie in Berlin. Sarah Hakenberg plaudert, jeder Satz ein Lacher, eine kleine Pointe. Schließt man die Augen, könnte man sich gut vorstellen, dass man mit dieser lebhaften, klugen und warmherzigen Frau am Rand eines Sandkastens sitzt, einen Kaffeebecher in der Hand und einfach einen witzigen Vormittag hat. Sie ist die nette Mutter von nebenan, ungekünstelt und nahbar.
Wenn sie diese Qualitäten ausspielt, um aus dem Nukleus des Alltagslebens heraus Sozial- und Gesellschaftskritik zu üben, dann ist sie großartig und das sind die Momente, die man sich von einem gelungenen Kabarettabend wünscht: dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Gleich zu Beginn des Programms zitiert Hakenberg aus der „Deutschland-Studie“ des ZDF und konfrontiert uns Würmtaler mit den nicht immer schmeichelhaften Zahlen. So steht der Landkreis Starnberg zwar im deutschlandweiten Ranking in Bezug auf verfügbares Einkommen auf Platz eins – bei der Pflegesituation allerdings auf den allerhintersten Plätzen. Auch um Kultur- und Ehrenamt, Wohnkosten und Kinderbetreuung steht es bei uns nicht allzu gut – da überholt uns streckenweise sogar Hakenbergs Kreis Höxter, wie die Kabarettistin fröhlich feixend feststellt.
In diesen Passagen in ihrem Programm zeigt sich, was Sarah Hakenbergs Themen sind, wo ihr Alleinstellungsmerkmal in der männlich dominierten Kabarettszene ist und was sie wirklich, wirklich sehr gut kann. Ob es um die Wiedereingliederung von Frauen ins Berufsleben, den Betreuungsschlüssel in Kindergärten oder Integration von Flüchtlingen geht – da bleibt uns das Lachen im Hals stecken, da sitzt jeder Hieb.
Ganz groß ist auch die kleine Nummer mit dem Kinderbuch „Wo wohnst du, kleines Küken?“. Allein in der Art wie Sarah Hakenberg daraus vorliest, offenbart sich die Ausgrenzung von Vaterfiguren im Leben der diversen Tierkinder als Gendermonstrosität, die ihres Gleichen sucht. Im Kleinen findet sie das Große, in der Alltäglichkeit den Wahnsinn.
Nach der Pause zieht sie – immer wechselnd zwischen Songs, die sie am Flügel begleitet und freien Textpassagen mit oder ohne Ukulele – das Tempo noch einmal an und man stellt fest: das tut ihr gut! Ob Cum-ex-Skandal, Rechtsextremismus oder „Wir gehen da jetzt rein“-Kolonisation, die nette Frau von nebenan platziert Nadelstich um Nadelstich.
Immer schade, wenn sie z.B. mit ihrer Erzählung über die Kreuzfahrt-Erfahrung auf der AIDA ihre politische Linie verlässt; Gags über Männer, die sich am Gratis-Büfett die „Achtunddreißigste Schwangerschaftswoche“-Bäuche vollstopfen, sind eigentlich nicht ihre Klasse.
Statt sich über andere lustig zu machen, applaudiert man doch lieber der kumpelhaften Mutter, die einen nach dem unterhaltsamen Vormittag am Sandkasten nachdenklich zurücklässt, weil sie einem - unmerklich - den Spiegel vorgehalten hat.
In Gauting hat die Kabarettistin eine stabile Fanbase, die von erstem Wort an auf ihrer Seite ist. Und das zu Recht, denn eigentlich kann Sarah Hakenberg nichts falsch machen – dafür ist sie einfach zu nett.
Aber der Reihe nach.
Gleich zu Beginn setzt Sarah Hakenberg das Thema, kurz und knackig mit Klavierakkord: wie überlebt man die Provinz oder warum es sich in Ostwestfalen trotz Küchen, Klemmen und Kirchen so gut leben lässt. Sie erzählt den Abend über Unterhaltsames, Privates, zitiert Statistiken über die Besiedelung, Lebensqualität und Sterblichkeit des Landstriches, in den sie vor fünf Jahren von München aus gezogen ist. In eine Gegend, in der es viel regnet und außenherum nichts ist. In der die Kindergärten „Mariae Heimsuchung“ heißen und nicht so niedliche Namen wie in „Grashüpfer“ tragen wie in Berlin. Sarah Hakenberg plaudert, jeder Satz ein Lacher, eine kleine Pointe. Schließt man die Augen, könnte man sich gut vorstellen, dass man mit dieser lebhaften, klugen und warmherzigen Frau am Rand eines Sandkastens sitzt, einen Kaffeebecher in der Hand und einfach einen witzigen Vormittag hat. Sie ist die nette Mutter von nebenan, ungekünstelt und nahbar.
Wenn sie diese Qualitäten ausspielt, um aus dem Nukleus des Alltagslebens heraus Sozial- und Gesellschaftskritik zu üben, dann ist sie großartig und das sind die Momente, die man sich von einem gelungenen Kabarettabend wünscht: dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Gleich zu Beginn des Programms zitiert Hakenberg aus der „Deutschland-Studie“ des ZDF und konfrontiert uns Würmtaler mit den nicht immer schmeichelhaften Zahlen. So steht der Landkreis Starnberg zwar im deutschlandweiten Ranking in Bezug auf verfügbares Einkommen auf Platz eins – bei der Pflegesituation allerdings auf den allerhintersten Plätzen. Auch um Kultur- und Ehrenamt, Wohnkosten und Kinderbetreuung steht es bei uns nicht allzu gut – da überholt uns streckenweise sogar Hakenbergs Kreis Höxter, wie die Kabarettistin fröhlich feixend feststellt.
In diesen Passagen in ihrem Programm zeigt sich, was Sarah Hakenbergs Themen sind, wo ihr Alleinstellungsmerkmal in der männlich dominierten Kabarettszene ist und was sie wirklich, wirklich sehr gut kann. Ob es um die Wiedereingliederung von Frauen ins Berufsleben, den Betreuungsschlüssel in Kindergärten oder Integration von Flüchtlingen geht – da bleibt uns das Lachen im Hals stecken, da sitzt jeder Hieb.
Ganz groß ist auch die kleine Nummer mit dem Kinderbuch „Wo wohnst du, kleines Küken?“. Allein in der Art wie Sarah Hakenberg daraus vorliest, offenbart sich die Ausgrenzung von Vaterfiguren im Leben der diversen Tierkinder als Gendermonstrosität, die ihres Gleichen sucht. Im Kleinen findet sie das Große, in der Alltäglichkeit den Wahnsinn.
Nach der Pause zieht sie – immer wechselnd zwischen Songs, die sie am Flügel begleitet und freien Textpassagen mit oder ohne Ukulele – das Tempo noch einmal an und man stellt fest: das tut ihr gut! Ob Cum-ex-Skandal, Rechtsextremismus oder „Wir gehen da jetzt rein“-Kolonisation, die nette Frau von nebenan platziert Nadelstich um Nadelstich.
Immer schade, wenn sie z.B. mit ihrer Erzählung über die Kreuzfahrt-Erfahrung auf der AIDA ihre politische Linie verlässt; Gags über Männer, die sich am Gratis-Büfett die „Achtunddreißigste Schwangerschaftswoche“-Bäuche vollstopfen, sind eigentlich nicht ihre Klasse.
Statt sich über andere lustig zu machen, applaudiert man doch lieber der kumpelhaften Mutter, die einen nach dem unterhaltsamen Vormittag am Sandkasten nachdenklich zurücklässt, weil sie einem - unmerklich - den Spiegel vorgehalten hat.
In Gauting hat die Kabarettistin eine stabile Fanbase, die von erstem Wort an auf ihrer Seite ist. Und das zu Recht, denn eigentlich kann Sarah Hakenberg nichts falsch machen – dafür ist sie einfach zu nett.
Tanja Weber, 07.02.2020
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.