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Nach(t)kritik

Do, 10.02.2022
20.00 Uhr

Lässige Kreativität

Veranstaltung: Fourganic: Blue Notes, rare Grooves

Man kann es sich leicht vorstellen.  2006 treffen sich vier Musiker in einem Studio und merken, dass sie etwas gemeinsam haben – sie sind verliebt in die Klangwelt des Blues. Da ist schnell entschieden, dass man in Zukunft zusammen spielt, um diese Musik in ihrer ganzen lebendigen Vielfalt einem Publikum nahezubringen. Und weil das eine letztlich nur natürliche Entwicklung ist, heißt die Gruppe "Fourganic"  (auch wenn an diesem Abend ausnahmsweise nur drei Musiker auf der Bühne stehen, jedenfalls am Anfang): Titus Vollmer (Gitarre), Matthias Bublath (Hammond-Orgel) und Peter Kraus (Schlagzeug) bringen bunten, knalligen, melancholischen Jazz nach Gauting.

Rasant ist der Auftakt. So wie die Bühne fast zu klein scheint für die Instrumentensammlung, quillt auch die Kreativität des Trios über. Dabei kann man sich auf eines verlassen: Immer kommt eine Note, die man nicht erwartet, zu einem Zeitpunkt, den man nicht erwartet. Doch der Klang-Koordination tut das keinen Abbruch. Vollmer, Bublath und Kraus sind nicht nur Virtuosen auf ihren Instrumenten, vor allem, wenn es darum geht, einfallsreich zu improvisieren, sie sind auch Virtuosen der musikalischen Kommunikation. Kaum sichtbar werden Abläufe organisiert, um nicht den minimalistischen Bühnenstil zu gefährden –  laid-back  und ohne eine überflüssige Bewegung auch in rasend schnellen Stücken.

Dass das Ensemble auch Schwermut kann, zeigt die tiefsinnige Interpretation des Gospels „Jesus on the Mainline“. Vollmer singt auf der Gitarre,  in immer kurvigeren Improvisationen,  traurig bis zur Brüchigkeit, doch da gewinnt das Spiel erneut an Fahrt und steigert sich zu einem ausdrucksstarken Fortissimo mit brausenden Orgel-Akkorden und Schlagzeug-Wirbel. "Fourganic"  bietet ein Kontrastprogramm.  Denn auf den frommen Gesang folgt ein weniger frommer Rock'n'Roll-Klassiker, Little Richards "Good Golly Miss Molly", wie alles an diesem Abend stilecht interpretiert und mit einer Bühnenpräsenz, die begeistert.

Doch so großartig die Standards des Rock, Blues, Funk und RnB sind, etwas würde fehlen, wenn nicht auch ein paar Eigenkompositionen der Bandmitglieder dabei wären. Matthias Bublaths "Ganic"  ist eine Hommage an die Band und an ihre Fähigkeit, sich in unterschiedlichste Stile einzufühlen. Am Ende meint man eine veritable Bach'sche Invention zu hören. 

Für einen meditativen Moment sorgt „Vic's Tune“, die Vollmers Sohn im Teenager-Alter zu Papier gebracht hat. Eine subtile Instrumentalballade, die es erlaubt, ein wenig den Gedanken nachzuhängen, ehe ein ganz konkreter Blues, diesmal mit Text (gesungen vom Schlagzeuger Peter Kraus), die  Gedankenströme auf die Gegenwart lenkt: "Feel so bad"  heißt der Song von Chuck Willis. Schlecht fühlt sich hier allerdings keiner, zumal jetzt wirklich vier Musiker zusammenkommen – Ludwig Seuss'  knackiger Klaviersound bereichert die Band für zwei Songs.

Und ganz zum Schluss werden aus vier sogar fünf, denn „Fourganic“ hat nicht nur originelle musikalische Ideen in die Welt gesetzt, sondern auch ein paar Kinder.  Zwei  spielen bei den Zugaben mit, was nicht nur klanglich einen wunderbaren  Abschluss bietet. Es beruhigt auch – um die Zukunft des Jazz muss man sich keine Sorgen machen.

Paul Schäufele, 11.02.2022


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 10.02.2022 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.