Nach(t)kritik
Lass die Schultern tanzen
Veranstaltung: Pam Pam Ida: Die gwohnte GängDauerregen auf dem Weg zum bosco, den ganzen Tag immer wieder nass geworden. Den Schirm ausgeschüttelt beim Hineingehen und schon auf der Treppe festgestellt, dass heute ganz andere Leute da sind. Viel Jüngere, paarweise, sogar ganze Familien drängen in den Saal, fest entschlossen, die Schultern tanzen zu lassen. Das werden sie auch, ganz am Ende des Abends, als sie „Pam Pam Ida“ noch einmal zur Zugabe hereingeklatscht haben. Da ist aber längst schon mit ganz anderen Körperteilen getanzt worden, vor der Bühne, neben den Stuhlreihen, zwischen den Tischen. Zusammen mit den sechs Jungs auf der Bühne feiern sie hier eine Party, dem Sturmtief zum Trotz.
Pam Pam Ida machen Popmusik mit Refrains zum Mitsingen wie „Ois anders, wenn du lachst“, mit eingängigen Melodien und detailreich ausgefeilten Instrumentalteilen, dazu umfangreich instrumentiert mit Posaune, Horn, Akkordeon oder Blockflöte neben Gitarre, Klavier, Bass und Schlagzeug. Der Synthesizer sorgt für einen herrlich anachronistischen 80er-Sound, die Arrangements muten zuweilen nahezu klassisch an, ausufernd erzählerisch, dann wieder mitreissend rockig. Eine Nummer, „I fahr an Diesel“, arbeitet mit Reggae-Elementen. „Kaff den Scheiß“ dagegen klingt fast wie gegenwärtiger Elektropop.
Die Geschichte der Band ist eine kleine Radiolegende. Die Jungs stammen fast alle aus dem kleinen Ort Sandersdorf in der Nähe von Eichstätt und haben im November 2015 ein Musikvideo gedreht zu dem Song „Gockl“ (den sie in Gauting auch spielen). Irgendwann hat Bayern-3-Moderator Matthias Mattuschik das Video gesehen und die Band in seine Sendung eingeladen. Pam Pam Ida schafften es auf Mattuschkes „Liebling“-Liste und wurden sogar zum Liebling des Jahres 2015 gewählt. Zwei Jahre später erschien das erste Album, „Optimist“ - ein Liebling zahlreicher Rundfunkredakteure. Jetzt ist das zweite Album da. Es heißt „Sauber“ und beschäftigt sich inhaltlich weniger mit Waschprogrammen als mit all den kleinen dreckigen Alltagsgeschichten, die auf ihre Weise das Klima verschlechtern. Der hemmungslose Konsum beispielsweise, um den es in „Kaff den Scheiß“ geht. Oder die gefühllose Ignoranz der Nachbarin, die den fast tauben Kater überfährt - mit „Tommy“ beginnt das Konzert. „Mit einem Requiem“, erläutert Sänger Andreas Eckert, der mit dem Charme eines Lausbuben, der zugleich auch Lieblings-Schwiegersohn sein könnte, in oft skurrilen Gedankensprüngen durch den Abend führt. Ihm zur Seite stehen Christian Winkler mit diversen Blasinstrumenten und am Keyboard; Thomas Thumann an der Gitarre und an zahlreichen anderen Instrumenten; Gitarrist Daniel Randlkofer; am Bass Jürgen „Charly“ Neumeier und am Schlagzeug Julian Menz.
Im Publikum erwiesen sich nicht wenige als absolut textsicher, spätestens nach der Pause hielt es die meisten nicht mehr auf den Stühlen. Hier waren echte Fans am Werk, und viele unter den optimistisch Mitgekommenen verließen als neue Fans den Saal.
Und beim Heimgehen ist es draußen mindestens fünf Grad wärmer als noch vormittags.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.