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Nach(t)kritik

Mi, 06.01.2016
17.00 Uhr

"Licht und Schatten". Fotograf Rainer Viertlböck

Veranstaltung: Rainer Viertlböck: Fotografien aus München und Huelva
Gauting -  Perspektivwechsel „Licht und Schatten“. Rainer Viertlböck, mehrfach ausgezeichneter Fotograf aus Gauting, beim „Tee bei Sabine“ am 6. 1. 2016: Die   phantastische Groß-Aufnahme von der Schnee bedeckten Münchner Quadriga hoch über der Ludwigstraße hängt derzeit im oberen bosco-Foyer.  Viertlböcks faszinierende Luftbilder-Serie von München steht im Kontrast zu seinen Fotografien aus seiner zweiten Heimat Süd-Spanien: Beim „Tee“ sprach der Künstler auch über seine Momentaufnahmen der kargen Behausungen illegaler afrikanischer Wanderarbeiter. 
„Fotografien aus München und Huelva“: Zur Vernissage in der überfüllten Bar rosso befragte Sabine Zaplin den Künstler  recht hartnäckig. Doch so leicht ließ sich der Fotograf seine Geheimnisse auch von der versierten Kulturjournalistin nicht entreißen.
„Ich widme meine Arbeit zu gleichen Teilen den Licht- und Schattenseiten unserer Welt“, erklärt Rainer Viertlböck. Im bosco zeigt der Gautinger, der lange in Süd-Spanien lebte, zum einen Bilder aus seiner Münchner-Serie: Die außergewöhnlichen Aufnahmen aus ganz überraschenden Perspektiven sind gerade im renommierten Schirmer/Moser Verlag als Buch erschienen.
Als Kontrast dazu präsentiert  Viertlböck seine zeitgleich entstandenen Industrie-Aufnahmen aus Südspanien: Das ausgestellte Bild „chemischer Abraum“ verklappt auf einer Halbinsel, in nur 500 Metern Entfernung von der 150 000-Einwohner-Stadt Huelva ist von bezwingender Ästhetik, denn: Es sind keine Menschen sichtbar. Der Betrachter sieht nur die von Menschen geschaffene Industrie. Oder die schon 2014 ausgestellten „Chabolas“, bescheidenste Behausungen afrikanischer Plantagen-Arbeiter, hergestellt aus Abfall-Materialien des Obstanbaus.
„Nach den Jahren in Süd-Spanien erscheint mir München wie eine Wohlstands-Insel – im Guten wie im Schlechten“, bekennt der renommierte Architektur-Fotograf.  Nicht zuletzt deswegen widmet Rainer Viertlböck sein Werk den Licht- und Schattenseiten unserer globalisierten Welt.
In Tokio und Fukushima entsteht gerade das neueste Projekt des Fotografen: Unsichtbar, wie die versteckten Hütten der illegalen  Plantagenarbeiter in Süd-Spanien, verschwindet nicht nur in Japan die radioaktive Verstrahlung unter der oberflächlichen Art „hübsch zu leben.“
Der Fotograf hat eine steile Karriere hingelegt: Rainer Viertlböck startete seine Künstler-Laufbahn zunächst als  Musiker und Film-Komponist. Erst 2001 begann der Wahl-Gautinger, der auch seine frühmorgendliche Joggingstrecke im Wald ablichtet, als Landschafts- und Architektur-Fotograf.  Unter anderem mit Auftragsarbeiten über das Lebenswerk des bekannten  deutschamerikanischen Architekten Helmut Jahn.  Doch „den auslösenden Moment“ zu „Bildstrecken“ zu wechseln, gab es eigentlich  nicht, sondern „viele Schlüsselmomente“, bekennt Rainer Viertlböck.
Von den Techniken der Auftrags-Arbeiten profitierte der Künstler im Endeffekt bei der zum Teil im bosco ausgestellten München-Serie: Mit Hubwagen, Drohnen oder aus dem Helikopter hat Viertlböck die Bilder aufgenommen. Welche Technik er bei welchem Motiv angewandt hat – das verrät der Fotograf nicht. 
Doch so entdeckt sogar der Ur- Münchner im bosco nie gesehene Perspektiven: Zum Beispiel die Großaufnahme der goldenen Kugel auf dem Dach des Müllerschen Volksbads.  Oder das „Münchner Kindl“ hoch oben auf dem Rathaus.
„Licht und Schatten“ beherrschen die stets  ästhetischen Viertlböck-Fotografien. Auch das perfekte Großformat von der Schnee bedeckten gusseisernen Bavaria: Hoch oben vom Siegestor reitet die Quadriga mit vier Löwen dem siegreichen bayerischen Heer entgegen. Unten liegt die beschneite Ludwigstraße, im Hintergrund der Himmel in der Winterdämmerung – mit hoffnungsvollem Lichtstreifen am Horizont. Die im bosco ausgestellte Quadriga der ungewöhnlichen München-Serie ist auch im aktuellen Bildband angedruckt.
Doch Menschen erfasst das  präzise Kameraauge dieses Künstlers allenfalls aus der Distanz eines fliegenden Vogels: In Viertlböcks gerade entstehender „Oktoberfest“-Serie wird man die übliche Lederhos´n- und Trachtler-Umzugs-Romantik also vergeblich suchen. 
      
              
 
 
 
Christine Cless-Wesle, 06.01.2016


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.