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Nach(t)kritik

Mi, 27.11.2019
20.00 Uhr

Love hurts

Veranstaltung: Gerd Holzheimer "Die Liebe höret nimmer auf" (1): Die Liebe ist ein seltsames Spiel – Die junge Liebe

Es gibt wohl kaum ein anderes Thema, bei dem jede und jeder so sicher eine Meinung hat und diese auch vertritt, wie das Thema „Liebe“. Äußerungen zu diesem wohl stärksten unter den Gefühlen und Daseins-Zuständen finden sich in der Popmusik ebenso wie in der Klassik, die Klatschspalten der Boulevardblätter würden ohne wohl kaum existieren, und in Sachen Liebesdrama fühlt sich die eine oder der andere zur rangehenden Institution berufen. Allen voran aber weiß die Literatur in Sachen Liebe stets noch den besten Rat. Tatsächlich zählt sie neben dem Thema „Tod“ zu den beiden Hauptangelegenheiten der schreibenden Zunft. So liegt es auf der Hand, dass die literarische Akademie des bosco, die Literaturreihe des Schriftstellers, Literaturwissenschaftlers und Gautinger Gerd Holzheimer, sich endlich einmal auch des Sujets annimmt. Unter dem Titel „Die Liebe höret nimmer auf“ wird nun in mehreren Abenden auf unterhaltsam lehrreiche Weise auf den Pfaden der literarischen Liebe gewandert. 

Der erste Abend widmete sich dem Aspekt der „jungen Liebe“ und zitiert hier bezeichnenderweise als Motto einen Schlager aus den Sechzigern, „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“. Was der Schlager den Wrtschaftswunderlingen war, das war der Minnesang den Menschen des Mittelalters. „Dû bist mîn, ich bin dîn: des solt dû gewis sîn“, kann beinahe jede, jeder im Publikum mitsprechen - der Tegernseer Liebesgruß, der später in die Minneliedersammlung „Frühling“ aufgenommen wird, zählt zu den bekanntesten Dichtungen des Mittelhochdeutschen. Der unbekannte Dichter, der hier seine Herzallerliebste stürmisch und höchst poetisch besingt, teilt seine Leidenschaft mit Kollegen wie Walter von der Vogelweide, der ebenfalls an diesem Abend mit einem Gedicht zur jungen Liebe vertreten ist. Einer der bekanntesten liebenden Lyriker ist der Renaissance-Dichter Francesco Petrarca, der mit seinen Sonetten an die schöne und blutjunge Laura zum Vorbild für viele geworden ist - und zum Inbegriff des, wie Kurt Tucholsky es beschrieb, im Liebesfall „Lyrik absondernden“ Betroffenen. 

Wie trefflich fügte es sich, dass Petrarcas Sonette an Laura von Laura gelesen wurden, und zwar von Laura Maire, Schauspielerin aus Herrsching, die alle weiteren literarischen Beispiele des Abends ebenfalls sehr sinnlich und singerfüllt rezitierte. So wurde der literarische Liebesreigen zu einem Hörvergnügen, das Lust machte (sic!) auf mehr. Zum literarischen Liebesmenü zählten noch Auszüge aus „Tristan und Isolde“ (von Gottfried von Straßburg erstmals erzählt), die unmittelbar neben einem weiteren höchstberühmten und sehr jungen - und sehr tragisch endenden - Liebespaar der Weltliteratur stehen, nämlich Shakespeares „Romeo und Julia“. Der Schwerpunkt der Literaturauswahl lag in der Vergangenheit, zwischen Hochmittelalter und Renaissance. Doch am Ende gab es einen Sprung hinüber in die Moderne, zu Richard Brautigan, der in der Nachfolge der Beat-Generation zu den Hauptbvertretern des West-Coast-Underground zählt und in seine lyrischen Werk, beispielsweise „The Pill versus the Springhill Mine Disaster“ höchst ironisch die amerikanische Prüderie betrachtet. 

Nach so viel Appetitanregern darf man gespannt sein, wie sich der Weg durchs literarische Liebesdickicht weiterhin  gestalten wird.

Sabine Zaplin, 28.11.2019


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Mi, 27.11.2019 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.