Nach(t)kritik
Malen mit Straßen: Passfotos von Quirin Leppert
Veranstaltung: Quirin Leppert: Passfotos - Fotos von PässenIst das noch eine schnöde Straße oder ist es schon Land-Art? „Passfotos“ nennt der Fotograf und Rennradfahrer Quirin Leppert die Bilder von Pässen, die er zuerst mit dem Fahrrad erklimmt und dann fotografiert. Was ihn dabei interessiert, ist der Kontrast zwischen der oftmals kargen und nicht selten spektakulären Landschaft und den von Menschenhand geschaffenen Strukturen.
Quirin Leppert, Jahrgang 1963, arbeitet als freier Fotograf in den Bereichen Portrait, Reportage und Architektur. Die Bauten des Schweizer Architekten Peter Zumthor setzte er ebenso in Szene wie die Mitglieder der bayerischen Staatsregierung – wobei ihm die Aufträge am liebsten sind, die ihn in die Nähe der Berge führen. Dann nämlich setzt er sich nach getaner Arbeit auf das Rennrad und radelt über einen Pass.
Seit etwa 2012 entstehen auf diesen Touren Fotos von Passstraßen in den Alpen. Die italienischen unterscheiden sich von den französischen durch ihren deutlich schlechteren Erhaltungszustand. Die Bergstraßen in Italien dienten schon der Truppenversorgung im Ersten Weltkriegs, die in Frankreich wurden deutlich später gebaut, um den Tourismus anzukurbeln. Während die sich steil und kurvig den Berg hinauf windenden Straßen heute vor allem eine sportliche Herausforderung darstellen, sind sie doch auch zeitgeschichtliche Dokumente: Der Mensch musste Berge überwinden und dauerhaft passierbar machen, um Handel zu treiben, Krieg zu führen oder einfach nur zu reisen.
Vor allem aber ist der Bau einer Straße von einem Tal in ein anderes ein gewaltiger gestalterischer Akt. Und genau diesen Eingriff in die Landschaft nimmt der Fotograf in den Blick. Manchmal hat er dafür nur sein Handy dabei, manchmal eine kleine Pocketkamera und manchmal packt er sogar die Hasselblad in die Satteltasche. Die technische Qualität der Aufnahmen steht jedoch nicht im Vordergrund, es geht vielmehr um die „Zeichnung“ inmitten der Natur: Eine Straße kann eine sich schlängelnde Linie sein oder ein unerhört gerader Strich. Wie Graphit-Schraffuren erscheinen rauhe Felshänge, ihre differenzierten Grauabstufungen bilden einen krassen Kontrast zur anthrazitgrau-glatten, vom letzten Regen glänzenden Teerfläche der Straße. Ausgefranste Fetzen von Schneeresten und gleichmäßig weiße Fahrbahnmarkierungen bilden scharfe Akzente in solchen gleichsam abstrakten Bildkompositionen. Auch gemauerte Begrenzungsmauern, unterbrochene Leitplanken und Beschriftungen auf der Fahrbahn einerseits und runde Steine, Geröll, grüne Wiesenhänge und weiße Gipfelflächen andererseits erscheinen bei diesem „Malen mit Straßen“ ebenso als gestalterische Elemente wie Licht und Schatten. Einmal inszeniert Leppert eine schroff gezackte Hotelburgen-Architektur vor einer ebenso schroffen Bergsilhouette, als hätte er sie eigens in diese karge Landschaft gestellt, um seine Bildgeschichte zu erzählen.
Es ist eben nicht so, dass der Radfahrer Leppert einfach mal kurz zum Verschnaufen anhält, sich umdreht und ein Foto macht. Es ist vielmehr so, dass der Fotograf den idealen Standort für das, was er mit diesen Bildern zeigen will, nur mit dem Fahrrad erreicht. Und dafür muss er keine perfekte technische Ausrüstung auf den Berg schleppen, er hat sein „Handwerkszeug“ immer dabei: In dieser Ausstellung bestätigt sich wieder einmal höchst eindrücklich, dass sich gute Fotografie einzig und allein durch den Blick des Fotografen auszeichnet.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.