Nach(t)kritik
Mit dem Herzen sehen
Veranstaltung: Gerd Holzheimer: Da schau her (Teil 3)„Mit dem Herzen sehen…“ In der Reihe „Da schau her“ nahmen der Schriftsteller Gerd Holzheimer und Schauspielerin Caroline Joana Ebner ihr literarisch interessiertes Publikum mit auf eine geistig-philosophische Lese-Reise. Am Weltfrauentag begann der Abend im intimen Ambiente der Bar rosso höchst vergnüglich mit einem Text von Kurt Tucholsky über die Unvereinbarkeit weiblicher und männlicher Sichtweisen. Unter Applaus mündete die Lesung im Hier und Jetzt: Gerd Holzheimer empfahl die „Ataraxia“, nämlich die „Unerschütterlichkeit“ des Stoikers Marc Aurel „auf dem Kaiserthron“ allen aktuellen Machthabern dieser Welt.
„Da schau her“: In der dritten Gautinger Lesung zu „Denkweisen, Horizonte, Utopien“ im bosco nahm Moderator Gerd Holzheimer seine circa 40 versammelten Anhänger/innen mit auf eine literarische Entdeckungs- Reise.
Mit der Aufforderung „einfach mal zu staunen“, las Schauspielerin und Sprecherin Caroline Ebner zunächst einen Text von Kurt Tucholsky: In altbekannter Manier versucht ein Ehepaar einen Witz zu erzählen, mit gegenseitigen Unterbrechungen - und beide aus völlig unterschiedlicher Perspektive. Zum Finale sitzt der Mann mit dem halb erzählten Witz da, weil`s keine Einigung zwischen weiblicher und männlicher Sicht auf die Dinge gibt. Halt wie im richtigen Leben. Und das am Weltfrauentag.
„Du g`fallst mir“: Gerade heraus redet indes „Die Rumplhanni“ mit ihrem Metzgergesellen, der ein gläsernes Aug` hat, lobt Germanist Gerd Holzheimer bei der Lesung den bereits 1916 erschienenen Dienstboten-Roman seiner „großen“ bayerischen Schriftsteller-Kollegin Lena Christ.
„Ich bin Nomade, kein Bauer, an dem die Liebe hängen bleibt“: Nach einem melancholischen Text „alles ist trist“ aus den „Wanderungen“ von Hermann Hesse, der an Depressionen litt, ging`s ans Eingemachte, nämlich an die „stoische Ruhe.“
Zenon hatte die philosophische Schule der Stoa zur „Unerschütterlichkeit der Seele“ vor über 2 000 Jahren in Athen gegründet, erinnert Humanist Gerd Holzheimer.
Später philosophierte Marc Aurel, Roms „Kaiser wider Willen“, dessen Weltreich bis hierher nach Rätien reichte, ebenfalls über die „Ataraxia“, nämlich die „Seelenruhe“, erinnert Gerd Holzheimer.
Danach liest Caroline Ebner Fragmente:
„Hüte dich, dass du nicht ein tyrannischer Kaiser wirst“, fordert Marc Aurel auch die heutigen Machthaber/innen dieser Welt zu „liebreichem“ Tun, zu gemeinnützigen Werken auf - und die Zuhörer im bosco applaudieren begeistert.
Und hier schließt sich der Kreis zum "Sehen mit dem Herzen": Marc Aurel, dem „Kaiser wider Willen“, der „nicht verkaisern wollte“ hat Rom dereinst ein Denkmal gesetzt. An der Säule treffen sich nämlich noch heute junge Paare und huldigten der „Abraxia“, der stoischen Unerschütterlichkeit, denn: „Was braucht man denn anderes als diese `Supi-Hardware` damit man zusammenbleibt?“ fragt Gerd Holzheimer mit den Worten eines zeitgenössischen ITlers.
Die Lesung endet tröstlich mit dem einfachen Leben des „Waldens“: An der Hand des Autors Henry David Thoreau „sollten wir einfach mal in den Wald gehen“, um festzustellen, „was wir alles nicht brauchen“, empfiehlt Literat Gerd Holzheimer.
Mit „Der schiefe Hut“, einer köstlichen Erzählung von Kurt Tucholsky, entlässt das glänzend eingespielte Duo Caroline Ebner/ Holzheimer seine begeisterten Zuhörer/innen schließlich in die Nacht - allesamt mit einem amüsierten Lächeln im Gesicht.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.