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Nach(t)kritik

Do, 10.01.2019
20.00 Uhr

Nach dem Auftritt

Veranstaltung: Bibiana Beglau & Salewski: "Andere Stadt" von Pier Paolo Pasolini

Die Stadt ist grell und laut. Sie ist halbschattig, voll verwirrender Klänge und Gestalten. Sie ist anders, immer wieder. „Andere Stadt“ heißt das Programm mit kurzen Geschichten und Gedichten von Pier Paolo Pasolini, das Bibiana Beglau zusammen mit dem Münchner DJ und Drummer Salewski gestaltet aus Anlass der Ausstellungseröffnung „Vor dem Auftritt“ mit Fotografien von Cordula Treml.

„So habe ich Rom noch nie gesehen,“ beginnt die Lesung, die sich einflicht in einen Klangteppich aus Sprachfetzen, Geräuschen und abgerissenen Harmonien. Sprachgestaltend zeichnet die Schauspielerin, die bosco-Besuchern von Vorstellungen im Residenztheater im Gedächtnis ist, die von Pasolini beschriebene Szene einer Beerdigung nach. Fragend, sich vorsichtig an die Gesichter heranwagend, die Mimik im Klang der Stimme nachzeichnend, folgt die Beglau den Bildern Pasolinis. Ihr wiederum folgt Salewski mit seinen Klangbildern, nimmt die Fragen, die Annäherungen auf und tritt in den Dialog. So entsteht ein Rom als Bühne. Die Stadt wird ein Theaterraum, und Pasolinis Arbeit in und an dieser Stadt wird fortgeführt als Blick zurück aus der Gegenwart.

Fast schützend über das Manuskript gekrümmt, ganz eins mit dem Text, entwickelt Bibiana Beglau Pasolinis Miniaturen aus ihrer eigenen Mitte heraus. Dabei entfaltet sie ihre stimmlichen Gestaltungsmittel wie eine Malerin, zeichnet mal mit leichter Hand, mal mit kräftiger Führung die Bilder dieser anderen Stadt, lässt sie vibrieren, scharf und immer schärfer werden und im selben Moment wieder zum Hintergrund werden. Immer deutlicher wird in der hörbaren Sprache die Perspektive des in Bildern Denkenden, Kommunizierenden, die „blendenden winterlichen Halbschatten“ sind die Visionen des Filmemachers wie die des Poeten. Als „über dem stummen Universum“ eine Stille über Bühne und Saal sich bis nahezu zur Unerträglichkeit ausbreitet, wirkt umso erschreckender der im Irgendwann einsetzende Ausbruch des „Ich habe genug!“ Was für ein Auftritt! Was für eine aus dem Augenblick sich selbst schaffende Perfektion!

Schlüssig und sehr einleuchtend nimmt diese Performance Bezug auf die Fotoausstellung, die vor dem Auftritt von Beglau und Salewski eröffnet wird: „Vor dem Auftritt“ zeigt großformatige Portraits und Serien kleinerer Bilder von jenen Momenten, in denen Schauspieler sich auf die bevorstehende Aufführung vorbereiten: meist in der Maske, oft in der Garderobe, immer mit dem Bevorstehenden, der zu leistenden Arbeit in Gesicht und Blick. Die Fotografin Cordula Treml begleitete Schauspieler wie Sophie von Kessel, Juliane Köhler oder Michael Maertens. Häufig portraitiert ist in dieser Ausstellung Bibiana Beglau, die zu Tremls Arbeiten sagt: „Die Bilder sind die intimen Momente einer Vorahnung von der Stimmung, die eintritt, wenn der Vorhang aufgeht.“

Ein Vorhang öffnet sich nicht vor dem Leseabend, und es fällt auch keiner am Ende. Doch die Stimmung der anderen Stadt, die sich zwischen dem ersten und dem letzten Wort offenbart, wirkt noch lange nach dem Auftritt nach.

Die Ausstellung „Vor dem Auftritt“ ist noch bis zum 1. März im bosco zu den üblichen Öffnungszeiten und während der Abendveranstaltungen zu sehen.

Sabine Zaplin, 10.01.2019


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 10.01.2019 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.