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Nach(t)kritik

Fr, 17.04.2015
20.00 Uhr

Nils Wogram (Posaune) und Bojan Zulfikarpašić (Klavier): Wundersame Fügung

Veranstaltung: Nils Wogram & Bojan Z: Traumpaar des Jazz
Die Zeit der Puristen ist wohl definitiv vorbei, zumindest was den Jazz betrifft. Formale Strenge kommt beim Publikum nur noch an, wenn das Emotionale und Lustvolle ein starkes Gegengewicht bietet. Das Bedürfnis nach sinnen- und spielfreudiger Nahrung, die Neugierde weckt und zu überraschen vermag, ist beim Publikum deutlich spürbar. Und das war wohl auch der Grund nicht nur für die stürmische Begeisterung des Publikums in diesem Jazzforum-Konzert, sondern auch die Materie, die ein vom musikalischen Charakter her doch relativ heterogenes Duo so wunderbar zusammenfügte, ja aus dem Unterschied geradezu mitreißende Qualitäten schöpfte.
Nils Wogram ist an der Posaune ein Klangmagier, der vor allem fesselnde Geschichten erzählt und wundersamen Klangzauber entfesselt. Spieltechnisch versteht er, die Töne in vielerlei Variationen anzuspielen, mit dem Dämpfer surrealistische Effekte zu erzeugen, oder gar mit Stimmeinsatz beim Spiel kuriose und durchaus komische Nebenepisoden zu kreieren. Ganz besondere Wirkungen erzielte er zudem mit Obertongesang, der dem plastischen Posaunenklang ein mystisch entrücktes Element gegenüberstellte.
Der serbische Pianist Bojan Zulfikarpašić ist musikalisch ein anderer Typ. Rein spieltechnisch konzentriert sich seine Tastenkunst auf die Differenzierung des Anschlags, der bei ihm in jeder Lage konsequent perlend ein absolutes Ebenmaß durchzuhalten vermag, ganz gleich, in welchem Tempo seine Finger gerade über die Tastatur wirbeln. Seine Melismen sind von höchst filigraner Präzision und seine Kraft reicht aus, um im Akkordspiel eine Substanz in geradezu orchestraler Stärke aufzutürmen.
Die Unterschiede machten sich besonders im Kompositionsstil der beiden Spitzenmusiker deutlich bemerkbar. Wograms Stücke folgten einer klangsinnlichen Dramaturgie, spielten eher mit leichtfüßiger Rhythmik und kontrastierten sehr Wirkungsvoll mit weit gespannten Melodielinien einfühlsamen instrumentalen Gesangs. Die Harmonik konnte bisweilen sehr einfach wirken, vermochte aber immer wieder überraschende und extreme Wendungen zu vollziehen, die meist auch mit heftigen Rhythmusbrechungen einhergingen. Zulfikarpašićs Kompositionen schlossen indes ein ausgeprägt rhythmisches Gefüge ein, konnten schon mal mächtig bis hin zum Blues grooven oder auch in substanzvoller Fülle über allem zu pulsieren und zu vibrieren.
Aber es gab auch Gemeinsamkeiten. Absolut! Beide waren bereit, sich aus der Reserve zu locken, sich dazu provozieren zu lassen, die Spielweise des anderen aufzunehmen. Und das war vielleicht auch die größte Stärke des Duos: Die spannungsreiche Begegnung der Zugriffe und das sich einlassen auf den Partner. Aber auch sonst fanden die beiden preisgekrönten Instrumentalisten immer wieder Gemeinsamkeiten. So etwa in der überaus inspirierten Lyrik, die sich so frei über alles Gravitätische hinwegzusetzen vermochte. Aber auch in der Experimentierfreude und im Spieltrieb, etwa perkussiv die Instrumente als reine Geräuscherzeuger zu gebrauchen. Ferner in der Dramaturgie der Stücke, in atonale und geradezu wilde Bereiche vorzudringen.
Die wirksamste Gemeinsamkeit resultierte wohl aus der kammermusikalischen Reduktion, die sich nicht nur in der gemäßigten Lautstärke im Bereich des Schönklangs bemerkbar machte, sondern auch in der sorgsam und überaus transparent artikulierten Tonsprache. Euphorischer Applaus und zwei ausgedehnte Zugaben.
Reinhard Palmer, 17.04.2015


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Fr, 17.04.2015 | © Alle Fotos: Werner Gruban