Nach(t)kritik
Opulente Geige
Veranstaltung: Tamaki Kawakubo, Violine & Yu Kosuge, Klavier: Kreisler, Mozart, Ravel, Schumann und BrahmsDer wahrlich gelungene Abend der beiden Japanerinnen Tamaki Kawakubo und Yu Kosuge begann mit Fritz Kreisler (1875-1962) und endete mit ihm: Sein an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert komponiertes „Präludium und Allegro im Stile von Gaetano Pugnani“ ist dem einst berühmten italienischen Geiger gewidmet, der von 1731 bis 1798 lebte, für sein kraftvolles Spiel („arco magno“) bekannt war und die Spieltechnik seines Instruments revolutionierte. Dieses mehr nach Kreisler als nach Pugnani klingende Stück war eine Art Entrée, aber wohl auch als Statement von Tamaki Kawakubo selbst als Hommage an die beiden berühmten Kollegen; als Zugabe gab es am Ende nur noch ein feines, zartes, kurzes Echo – und wenn die Erinnerung nicht täuscht, handelte es sich um Kreislers „Schön Rosmarin“!
Dazwischen kontrastierten im ersten Teil Mozart und Ravel, während nach der Pause Clara Schumanns Romanzen von 1853 ihre Fortsetzung fanden in der gewichtigen, letzten Violinsonate von Johannes Brahms, 33 Jahre später entstanden. Nur zwei Sätze umfasst Wolfgang Amadé Mozarts e-Moll-Sonate, doch die haben es in sich: Alle paar Takte ändern sich Ausdruck und Geste, das „Tempo di Menuetto“ macht nur Sinn, wenn man es, wie die Geigerin Tamaki Kawakubo und ihre Pianistin Yu Kosuge, entspannt und relativ langsam nimmt und so den eigentümlichen Variationen Raum und Zeit zur Entfaltung gibt. Die beiden Japanerinnen artikulierten stilsicher und sehr natürlich, romantisierten nichts und so durfte man sich über große Anmut und Schönheit des Klangs freuen. Bei Maurice Ravels Sonate für Violine und Klavier herrschte ebenfalls eine feine Balance zwischen den beiden Instrumenten und der „Blues“ betitelte Mittelsatz entfaltete zwischen zupackend kernigem Pizzicato und locker geschmeidigem Jazz großen Reiz, bevor das „Perpetuum mobile“ des Finale zwar, wie es sich gehört, nie zur Ruhe kam, aber auch nie überhetzt klang.
Ebenfalls noble Zurückhaltung gab es bei den „Drei Romanzen“ op. 22 Clara Schumanns von 1853, also dem Jahr, als der 23-jährige Johannes Brahms die Familie kennenlernte und fortan enger Freund des Haus – und zeitweiliger Kinderbetreuer – wurde. Auch hier herrschte feine Anmut und die Vortragsbezeichnung „Mit zartem Vortrage“ galt für alle drei Stücke, auch für das „leidenschaftlich schnell“ zu spielende letzte. Bei der dritten Violinsonate in d-Moll op. 108 des nun 53-jährigen Brahms gaben Tamaki Kawakubo und Yu Kosuge ihre bis dahin immer wieder vorherrschende Zurückhaltung auf. Nun dominierte der große, fast breite Klang, was dem komplexen, in jeder Hinsicht reichen Kopfsatz zusätzlich Gewicht gab, den langsamen Satz mit allerlei Portamenti aber allzu sehr befrachtete. Wer so einen schönen Geigenton besitzt wie Tamaki Kawakubo, der könnte dieses Andantino einfach ganz natürlich und schlicht fließen lassen. In den noch folgenden beiden Sätzen („Un poco presto e con sentimento“ und „Presto agitato“) herrschte dann wieder die perfekte Balance zwischen Expression, struktureller Durchdringung und der gelegentlichen Zelebrierung eben dieses berückend schönen Tons.
Dabei war Yu Kosuge am Flügel eine immer äußerst plastisch und klug mitgestaltende Partnerin; sie wusste stets genau, wann sie dominieren und die Führung übernehmen durfte, aber auch, wann sie zurücktreten musste. Jedes Detail und jede Phrase besaßen Farbe und einen feinen Körper, dabei herrschte stets etwas wie entspannte Spannung, also eine Harmonie mit der Geige, die mit dem Begriff vom perfekten Violinduo nicht hinreichend getroffen ist.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.