Nach(t)kritik
Sanfter Soul
Veranstaltung: Alma Naidu: AlmaVor kurzem erst holte der brasilianische Liederkönig Ivan Lins sie auf die Bühne der Isarphilharmonie und sang mit ihr Eigenes und ein wenig Jobim. Kein schlechter Mentor für eine Künstlerin, die selbst das Sanfte liebt. Alma Naidus Musik hat viele Zwischentöne, viel Pathos und Energie. Die Münchner Sängerin kleidet ihre Lieder aber in ein Gewand aus klingenden Seidenstoffen, in edlen Schnitten und schimmernden Farben. Kein Ton ist zuviel an ihrem Abend in Gauting. Selbst wenn sie ihren Musikern wie dem Gitarristen Lukas Häfner Raum für solistische Entfaltung bietet, hält er sich an die Dramaturgie der Balance. Valentin Renner bekommt zwar vor den zwei Zugaben die Möglichkeit, sich mit einer Prise Rock in der Spielhaltung solistisch zu entfalten, aber auch er trommelt ansonsten fein gewichtet in der Wahl der dynamischen und dramaturgischen Elemente. Lisa Wulffs Bass schließlich fundamentiert die Musik mit dezentem und bestimmtem Groove, so dass das ganze Programm in sich so rund wirkt, als könne man es gleich in ein Live-Album verwandeln.
Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist das Konzert im Bosco die Dernière einer zweiwöchigen Tournee, die das Team durch deutsche Clubs und Säle geführt hat. Die Band ist exzellent eingespielt, man hört die Ausgelassenheit und Gelöstheit eines Programms, das von den Beteiligten souverän verinnerlicht wurde. Der Sound im Raum ist außerdem brillant, die Differenziertheit der Gestaltung überträgt sich bis in die Details auf das Publikum. Und die Musik an sich ist so komponiert und arrangiert, dass Alma Naidus Stimme eine perfekte Klangumgebung bekommt, um sich entfalten zu können. Dabei kann sie auf ein breites Spektrum gestalterischer und stilistischer Möglichkeiten zurückgreifen. Alma Naidu ist klassisch ausgebildet und sozialisiert. Sie hat die Weite und Präzision des klassischen Soprans und kann mit der Klarheit einer strahlenden Stimme in ihre Melodien und Vokalisen schlüpfen. Sie kennt ebenso die Besonderheiten der Improvisation, hat Erfahrungen mit Jazzbands und Orchestern, die ihr die Freiheit des Flows offen halten.
Vor allem aber singt sie bis auf einen Coversong von Billy Joel eigene Lieder. Es sind Stücke zwischen den Stilen, mit viel Soul und gegenwärtigem Songwriting im Stammbaum, stellenweise ein wenig Latineinfluss und etwas Fusion im Beat. Sie handeln von den Innenwelten der Liebe, klagen den Mangel an Gleichberechtigung an oder verbeugen sich von der Kraft mutiger Frauen. Sie vertrauen nicht nur auf die Bedeutung der Lyrics, sondern arbeiten oft mit wortlosen Linien, die die Emotionalität und das Pathos einzelner Passagen unterstreichen. So kann ein Programm entstehen, das zwar den kontrollierten Klangraum nicht verlässt, aber trotzdem intensiv, nachdrücklich und gelassen fröhlich wirkt. Sie freue sich schon darauf, wenn sie wiederkäme, meinte Alma Naidu am Ende des Konzert. So begeistert wie sie und ihre Band aufgenommen wurden, könnte das schon bald wieder der Fall sein.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.