Nach(t)kritik
The Sound of Photography
Veranstaltung: Oskar Henn: Jazz & Tanz - ich liebe beidesSie scheint in der Luft zu schweben, die Frau in Rot. Jede Faser ihres Körpers ist pure Musik. Er ist ein Körper gewordener Atemzug, der Mann an der Posaune. Die Anspannung im Gesicht ist eine Fermate, ein Moment des Innehaltens vor der einen, einzigen Blue Note. Die Tänzerin und der Jazzmusiker sind Protagonisten der Foto-Portraits von Oskar Henn, mit denen das Theaterforum die erste Ausstellung der Jubiläumsspielzeit in der bar rosso, im boschetto und im Treppenhaus des bosco eröffnet.
„Jazz & Tanz - Ich liebe beides“, lautet der Titel der Ausstellung, bescheiden und liebenswert dieser Satz, genau wie der Künstler selber es ist. „Die Musik selber ist die Basis, auf der man sich tragen lässt und jenen einzigartigen Moment erreicht, beim Jazz wie beim Tanz“, erklärt Oskar Henn, typischerweise in der „man“-Form. Er mag keinen Rummel um seine Person,lässt lieber seine Fotos sprechen. Und die sprechen. Erzählen von Innigkeit, von dem Ganz-bei-sich-Sein. Erzählen von der Gratwanderung zwischen absoluter Disziplin und größtmöglicher Freiheit. Die perfekte Bilddiagonale im Foto von Katja Wachter, wie sie im Tanz aus der Körperspannung heraus Bewegung pur zeigt. Der satte Sound, der aus dem Portrait von Klaus Doldinger über den Bildrahmen herausdrängt.
Seit fast zwanzig Jahren ist der 1947 in Unterfranken geborene Oskar Henn, der früher als Maschinenbauingenieur tätig war und durch eine schwere Krankheit an einer Fortsetzung dieses Berufs gehindert worden ist, als Fotograf tätig. Seine erste Ausstellung hatte er im Münchner Jazzclub Unterfahrt, wo er mittlerweile als Hausfotograf fungiert. Auf den großen deutschen Jazzfestival ist Henn mit seiner Kamera ebenso zuhause wie in der klassischen Ballett- und der Modern-Dance-Szene. Für die Münchner Iwanson School hat er immer wieder Studio- und Live-Aufnahmen gemacht.
Es waren Fotos von Oskar Henn, mit denen im Jahr der bosco-Eröffnung die erste Fotoausstellung in diesem Haus stattfand. So lag es nahe, die Jubiläumsspielzeit mit einer weiteren Oskar-Henn-Ausstellung zu beginnen. „Eine konzentrierte Bewegung umzusetzen in ein statisches Bild, daran muss ein Fotograf eigentlich scheitern - wenn er nicht Oskar Henn heißt“, sagt Hans-Georg Krause in seiner Laudatio zu Beginn der Vernissage, „ er ahnt die Bewegung der Tänzer voraus und hat gleichzeitig eine genaue Vorstellung von der Bildachse und den Farben im Kopf. Er atmet mit den Tanzenden mit.“ Ebenso atmet er mit den Musikern, lebt mit auf deren Rhythmus und hält stets jenen Moment fest, in dem sich die ureigene Persönlichkeit der Jazzmusiker manifestiert. „Man hat das Gefühl, beim Betrachten der Bilder die Musik zu hören“, sagt Krause.
Selbstverständlich kann eine Ausstellung mit Portraits von Tänzern und Jazzmusikern nicht ohne Musik über die Bühne gehen. Die Band „Jazz in the Box“ mit Musikern aus Grafing unter der Leitung des Gautinger Moritz Fischer bietet genau den richtigen Sound zu den Fotos von Oskar Henn. Mit ihrem eigens für Gauting komponierten Song „Welcome“ und vielen weiteren Stücken geleiten sie die Ausstellungsbesucher von Bild zu Bild und lassen ahnen, was einen Fotografen wie Oskar Henn zu einer so klangvollen Bildsprache finden lässt.
Bis zum 27.10. kann sich jeder bosco-Besucher davon überzeugen, dass Momente von Musik und Bewegung für die Ewigkeit festzuhalten sind.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.