Nach(t)kritik
Spiellust gegen Ausgrenzung
Veranstaltung: Theaterjugendclub SpielLust: "Katzelmacher" von Rainer W. FassbinderGut fünfzig Jahre alt ist Rainer Werner Fassbinders Theaterstück „Katzelmacher“, entstanden in einer Zeit, als die ersten Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Die Geschichte vom „Griech` aus Griechenland“, den die Unternehmerin Elisabeth als kostengünstigen Arbeiter gewinnen kann und der durch seine bloße Anwesenheit die Bewohner eines Münchner Vorortes erst irritiert und dann zunehmend sich gegen ihn zusammenrotten lässt, hat an Aktualität nichts eingebüßt.
Da ist auf der einen Seite die Ortsgemeinschaft: junge Menschen, die auf der Straße zusammentreffen, Bier trinken, auch schon mal gemeinsam die Dorfkneipe aufsuchen, die sich zu Pärchen zusammenfinden und wieder auseinandergehen, einander betrügen, Kinder zeugen, sich auf die Nerven gehen und wieder zusammenrotten. Und da ist auf der anderen Seite Elisabeth, die es geschafft hat, die beneidet wird und auch hier und da gehasst, der nachgesagt wird, sie habe sich rechtzeitig und geschickt zu den Honoratioren gesellt und sich deren Unterstützung erkauft, mit gewiss nicht immer moralisch einwandfreien Mitteln. In dieser ohnehin latent aggressiven Stimmung wird der Fremde, der „Katzelmacher“ - ein veraltetes Schimpfwort für Gastarbeiter, in Anlehnung an fahrende Kesselmacher - zum Funken, der alles in Brand setzt. „Eine Ordnung muss wieder her“, beschließen die, die selber schon jedwede Ordnung verloren haben, und prügeln den griechischen Gastarbeiter aus dem Ort.
Fassbinders „Katzelmacher“ ist hervorragend dazu geeignet, es mit Jugendlichen auf die Bühne zu bringen. Das stark stilisierte, mit Mitteln des Volkstheaters arbeitende Stück bietet gerade in einer Gegenwart, in der Fremdenhass geschürt wird, jungen Theaterbegeisterten Gelegenheit, den Mechanismen von Gruppenzwang und Ausgrenzung im Rollenspiel nachzuspüren.
Seit Oktober vergangenen Jahres hat sich unter dem Dach des bosco und unter der Leitung von Lucie Mackert und Sebastian Hofmüller der erste Gautinger Theaterjugendclub zusammengefunden und in knapp 20 Probeneinheiten „Katzelmacher“ erarbeitet. Heute war Generalprobe. Und die 18 Jugendlichen setzten mit großer Ernsthaftigkeit und professioneller Konzentration die vielen kleinen Szenen zu einer in sich geschlossenen Vorstellung zusammen. Dabei genügten ihnen als Bühnenbild ein paar quadratische und rechteckige Elemente, die sie mal zur Mauer, mal zur Fabrik, dann wieder zum Bahnhof zusammensetzten, um auf, neben, zwischen diesen kaleidoskopartig und in sich steigerndem Tempo die Entwicklung von einer Gruppe Jugendlicher zu einem aggressiven Mob sehr überzeugend zu spielen. Man spürt, wie intensiv hier in den Proben zusammengearbeitet wurde und wie genau die jungen Spielerinnen und Spieler aufeinander hören, miteinander agieren. Das Thema des Stückes - so ist es in jedem Moment der Aufführung zu spüren - liegt ihnen allen am Herzen: die Gefahr der Ausgrenzung, die sich allzu rasch in Hass und Gewalt verwandelt.
„Katzelmacher“, die erste Produktion des neuen Theaterjugendclubs „Spiellust“, ist am Samstag, den 11.05.um 19 Uhr im bosco zu sehen.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.